Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/Feichtinger
London/Wien - "Eizellen, die nicht befruchtet sind, so zu stimulieren, dass sie ihr Genom verdoppeln und sich teilen, finde ich genial", kommentierte Genetiker Markus Hengstschläger vom Wiener AKH am Montag den Erfolg seiner britischen Kollegen, der für internationales Aufsehen sorgt: ForscherInnen um Karl Swann von der University of Wales in Cardiff haben Eizellen eine Befruchtung nur vorgetäuscht - die sind darauf hereingefallen, haben sich tatsächlich zu teilen begonnen und entsprechend auch embryonale Stammzellen produziert. Ein möglicher Ausweg aus dem ethischen Dilemma? Müssen für die verheißungsvollen Zellen keine Embryonen mehr vernichtet werden?

"Das kann gut sein", sagte Hengstschläger, der die im Fachblatt Reproduction veröffentlichte Arbeit jedenfalls als "wirklichen Meilenstein" bezeichnete. Die so entstandenen Embryonen seien nämlich kein individuelles schützenswertes menschliches Leben, da sie sich mangels väterlicher Erbanlagen nie zu einem Menschen entwickeln könnten. Sie seien lediglich "stimulierte Keimzellen" und daher aus ethischer Sicht unbedenklich - "sonst wäre auch Masturbation Mord", erklärte der Genetiker plakativ.

Mögliche Abstoßung

Lieferten diese Embryonen tatsächlich Stammzellen mit demselben Potenzial bisheriger embryonalen Stammzellen, werde wohl niemand mehr auf die Idee kommen, wirkliche Embryos zur Forschung zu nehmen. "Das einzige Problem bei einer eventuellen Anwendung für die Therapie ist die Frage der Abstoßungsreaktion", gab Hengstschläger zu bedenken. "Darüber weiß jetzt natürlich noch niemand Bescheid, das sollte man aber schnell erforschen."

Die BritInnen behandelten die Keimzellen mit einem bestimmten Eiweiß, welches das Eindringen einer Samenzelle vortäuschte. Schon in früheren Versuchen hatte Swann nachgewiesen, dass das von Samenzellen produzierte Protein Phospholipase C-zeta (PLC-zeta) die Eizellen von Mäusen zur Teilung anregen kann. Erstmals begannen nun auch menschliche Eizellen, denen das Eiweiß injiziert worden war, mit der Teilung und entwickelten sich nach vier bis fünf Tagen zu Keimblasen, so genannten Blastozysten, aus denen schließlich - wie auch bei regulären Embryonen, die durch therapeutisches Klonen gezüchtet werden, oder bei der künstlichen Befruchtung übrig bleiben - embryonale Stammzellen gewonnen werden konnten.

Männliches Erbgut aus Samenzellen war für das Wachstum der Zellen nicht notwendig, da jede Eizelle bereits zwei weibliche Chromosomensätze besitzt. Bei der Reifung der Eizelle wird normalerweise einer dieser Sätze ausgestoßen und bei der Befruchtung durch den männlichen ersetzt. Swann und seine Kollegen unterdrückten das Ausstoßen jedoch mit einer chemischen Behandlung.

Eine andere mögliche Quelle - ethisch ebenfalls unbedenklich - für derartige Zellen hat Markus Hengstschläger vor einem guten Jahr entdeckt: das Fruchtwasser. Daraus isolierte Stammzellen dürften ebenfalls dasselbe Entwicklungspotenzial wie embryonale haben. Haut- und Nervenzellen konnte das Wiener Team bereits aus den Fruchtwasserzellen herstellen. Derzeit wird erforscht, ob sie sich auch in Knorpel-, Knochen-, Fett- und Muskelzellen differenzieren können. "Es sieht sehr vielversprechend aus", sagte Hengstschläger. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 12. 2004)