Foto: Hidden Cameras/Guntar Kravis
Montag kam's über den Agenturticker: +++ Mormonen-Chor sagt Europatournee aus Terrorangst ab +++ ... die hätten durch Skandinavien touren sollen, und das ist ja bekanntlich ein heißes Pflaster.

... aber keine Angst: spirituelle Erhebung durch Musik ist dennoch unterwegs. Dafür sorgen die kanadischen The Hidden Cameras, und wenn die hier als "Kollektiv" vorgestellt werden, dann nicht nur, weil sie sich in ihrer CD-Artwork traditionell anonymisiert präsentieren. Es ist auch zumeist unvorhersagbar, wie groß die Mann- und Frauschaft, die Mastermind Joel Gibb für den jeweiligen Auftritt um sich schart, sein wird: das kann bis weit in den zweistelligen Bereich gehen, erst recht, falls Go-Go-Tänzer die Performance der MusikerInnen komplettieren.

"Solid is the rock of my man"

Ihre Live-Auftritte haben die Hidden Cameras schon vor dem Durchbruch 2003 mit der CD "The Smell Of Our Own" und dem darauf enthaltenen Radio-Favoriten "Ban Marriage" populär gemacht. Seitdem und nochmals unterstrichen mit dem schon heuer nachgeschobenen Zweitling "Mississauga Goddam" sind sie über Grenzen jeglicher Art zum Begriff geworden.

Mit klanglichen Wurzeln im Folk und Gitarrenpop, jederzeit erweiterbar durch Instrumente aller Art, werden sie häufig mit Bands wie Belle and Sebastian oder They Might Be Giants verglichen. Mehrstimmiger Gesang - bis hin zu Choreinsätzen - hämmernde Pianos, Tamburine und ein genereller Uplifting-Charakter der Stücke bringen auch "Gospel" ins Spiel; Publikumsanimation ist wichtig, und irgendwie kann das im Live-Auftritt darum auch an Chumbawamba-Konzerte erinnern.

Die Hidden Cameras selbst haben ihrem Sound das Label "Gay Church Music" verpasst - jedes Ding im Pop-Geschäft braucht schließlich seinen Namen, und wenn, dann sucht man ihn sich am besten gleich selbst aus. "Gay" ist folgerichtig sowohl als "fröhlich" als auch natürlich als "schwul/lesbisch" zu übersetzen. Das ist dann aber auch schon die einzige Doppeldeutigkeit.

"I was late getting to church on the morning of my ceremony /
stayed up too late the night before from fingering dirty holes in the dark"

... ansonsten mögen es die Hidden Cameras in ihren Lyrics nämlich lieber eindeutig und tragen die US-amerikanischen "Parental Advisory: Explicit Content"-Aufdrucke mit Stolz und Würde. Die Texte drehen sich um sämtliche Aspekte des schwulen Lebens: Liebe, Diskriminierung, erlittene Gewalt, Sex - durchaus bis in den hygienischen Bereich hinein - und Politik. Auch Politik - die Hidden Cameras als Agit-Pop-Band zu bezeichnen, wäre dann doch zuviel gesagt.

Und das beabsichtigen sie auch gar nicht. Gute Stimmung zu verbreiten, ist ihre Mission. Dafür schrecken sie nicht einmal vor dem gefährlichen Europa zurück. (Josefson)