Schon nach den Ergebnissen der ersten Pisa-Runde im Jahr 2000 sind Bildungspolitiker ins Siegerland Finnland gereist, um herauszufinden, was die Finnen wohl besser machen. Was den meisten aufgefallen ist: In Finnland herrscht ein anderes Schulklima, den Schülern scheint das Lernen mehr Spaß zu machen als bei uns, den Lehrern scheint gleichzeitig das Unterrichten leichter zu fallen.

Schuldzuweisungen für Schulversagen dürften selten sein: Lehrer in Finnland lassen sich den schwarzen Peter der schlechten Erziehung nicht widerspruchslos in die Schuhe schieben. Verhaltensauffälligkeiten von Schülern werden sofort im Lehrerteam bearbeitet. Das Team lädt gemeinsam die Eltern ein, um mit ihnen messbare Verhaltensänderungen festzulegen und umzusetzen. Was die Lehrer so nicht schaffen, das versuchen die Psychologen und Sozialbetreuer in individueller Beratung und Fürsorge bei Lernschwierigen zu korrigieren. So werden die Eltern konkret in die Erziehung einbezogen, können sich nicht aus der Verantwortung stehlen, und die Lehrerarbeitszeit wird letztlich entlastet. ´ "Teil der Volksidentität"

Der Vizedirektor des Zentralamts für Unterrichtswesen in Helsinki und Leiter des Bereichs Allgemeinbildung, Aslak Lindström, sieht denn auch die kulturelle Verankerung der Bildung als einen wesentlichen Faktor des Erfolges der finnischen Schulen: "In Finnland ist das Bildungswesen seit jeher sehr hoch angesehen, es ist Teil der Volksidentität."

Zum Bildungsbewusstsein kommt ein gezielter, früh einsetzender Musikunterricht - was für den Klagenfurter Erziehungswissenschafter Peter Posch ein Faktor ist, der die Intelligenz und Lernfreude fördert.

Rascher Reform-Rhythmus

Eine weitere Zutat im finnischen Erfolgsrezept sieht Lindström im raschen Rhythmus der Reformen im Bereich Bildung. "Die Rahmenlehrpläne werden bei uns mindestens alle zehn Jahre erneuert, ich habe selbst die Erstellung 1994 geleitet und jetzt wieder. Ich traue mich zu sagen, dass es bis zum nächsten Mal keine zehn Jahre dauern wird."

Weitere Fixpunkte sind eine immer stärkere Autonomie von Gemeinden und Schulen selbst - allerdings innerhalb eines Grundgerüstes, das eine gemeinsame neunjährige Pflichtschulerziehung für alle Kinder vorsieht. In dieser Grundschule gibt es Vor- und Nachmittagsunterricht, im Schnitt am Vormittag drei Stunden, nachmittags zwei bis drei, dazwischen Mittagspause mit gratis Schulessen. Eine Schulstunde dauert 45 Minuten, Pausen zehn bis 15 Minuten.

Muttersprache, Mathematik und Naturwissenschaften

Die andere Konstante in der finnischen Bildungspolitik ist Lindström zufolge das Forcieren von Muttersprache, Mathematik und Naturwissenschaften. Vor allem im Fall der Mutter- beziehungsweise ersten Landessprache ist dies auch das wichtigste Instrument bei der Integration von Ausländern. Allerdings hat Finnland - derzeit mit einem Ausländeranteil von 1,9 Prozent - rein von der Größenordnung her geringere Probleme mit der Integration von Migranten. (cs, DER STANDARD, Printausgabe 6.12.2004/APA)