Bild nicht mehr verfügbar.

Der scheidende ukrainische Premier Kutschma bei seinem russischen Amtskollegen Putin in Moskau.

Foto: EPA/PRESIDENTIAL PRESS SERVICE ITAR-TASS POOL
Kiew/Moskau – Ohne "direkte Beteiligung Russlands" sei keine Lösung möglich, bei der die Ukraine ihr Gesicht wahre, sagte der ukrainische Präsident Leonid Kutschma am Donnerstagnachmittag bei seinem Treffen mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin in Moskau. Kutschma bat Putin um Hilfe bei der Suche nach einer Lösung. Der Kremlchef sprach sich denn auch, ganz im Sinne Kutschmas, gegen eine Wiederholung der Präsidenten-Stichwahl aus. Eine solche Wiederholung, wie sie von der Opposition gefordert wird, "führt zu nichts", sagte Putin. Weder die EU noch Russland, sondern nur das ukrainische Volk könne die Krise lösen.

Aus Washington kam fast gleichzeitig eine Erklärung von US-Präsident George W. Bush, wonach jede Neuwahl in der Ukraine "offen und fair" und frei von jedem ausländischen Einfluss sein sollte.

Kutschma spricht sich für eine komplette Neuwahl aus. Die Opposition sieht darin eine Taktik zum Zeitgewinn, weil Neuwahlen frühestens ins drei Monaten stattfinden könnten.

Die Stimmung im Stab von Oppositionsführer Viktor Janukowitsch ist nach den Freudenausbrüchen vom Mittwoch uneinheitlich. Während die Massendemonstrationen auf den Straßen unvermindert anhielten, herrschte in der Umgebung von Juschtschenko keine Einigkeit darüber, ob man am Vortag tatsächlich einen Durchbruch errungen hat oder von der Schläue Kutschmas überrannt wurde.

Am Mittwoch war dem offiziellen Wahlsiegers Viktor Janukowitsch als Premier das Misstrauen im Parlament ausgesprochen worden. Wenig später einigten sich die Konfliktparteien unter Vermittlung des EU-Außenbeauftragten Javier Solana auf ein Aktionspaket, das Änderungen am Gesetz zur Präsidentenwahl, eine Reform des politischen Systems und die Neubildung der Regierung umfasst. Außerdem sollte die Blockade der Verwaltungsgebäude aufgehoben werden, Die Verhandlungen sollen nach der Entscheidung des Obersten Gerichtes wieder aufgenommen werden.

Dieses beriet am Donnerstag schon den vierten Tag über die Frage der Wahlfälschungen. Es wird ziemlich sicher davon ausgegangen, dass das Gericht die Wahlfälschungen bestätigt. Vom Spruch abhängig wird es zu kompletten Neuwahlen oder nur zu einer Wiederholung der Stichwahl – wozu auch das EU-Parlament drängt – kommen.

Wie der Standard aus westlichen Diplomatenkreisen in Kiew erfahren konnte, schätzt man allerdings, dass es mit dem Misstrauensantrag in Wirklichkeit dem Machtclan um Kutschma gelungen sei, sich endlich elegant Janukowitschs zu entledigen, der ihm vom mächtiger werdenden Donezker Clan aufgezwungen worden sei. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2004)