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Am Montagabend brillant im Konzerthaus: Kurt Wagner und seine Band Lambchop

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Wien - Nicht selten sind so genannte Film-und-Musik-Abende - nicht nur aus der Sicht von Cineasten - ein bisschen was für Faule. Oft fungiert da das eine Medium für das andere als Krücke, soll heißen: Wer sich nicht recht auf die Leinwand konzentrieren will, lässt sich von den Liveklängen weitertragen, und umgekehrt. Die Konzertsäle, die zu Kinosälen umfunktioniert werden, sind nie wirklich überzeugend.

Kurz, vieles ließe sich einwenden gegen solche Programme - aber manchmal überwältigen sie einen regelrecht: die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. "Schädeldeckehebend" - dieses Prädikat verleihen wir gerne dem jüngsten Auftritt der Melvins zu Videos von Cameron Jamie im Wiener Gartenbau-Kino. Noch einmal bedauern wir, dass Wolfgang Mitterers kongeniale Vertonung von Friedrich Wilhelm Murnaus Horrorklassiker Nosferatu nicht öfter zu hören und zu sehen war. Und jetzt, als Neuzugang in den Top Drei der vergangenen Jahre: wieder Murnau, diesmal das in den USA inszenierte Melodram Sunrise (1927), musikalisch interpretiert von der US-Band Lambchop, im Großen Saal des Wiener Konzerthauses.

"Der Film ist der Boss" wird Lambchop-Mastermind Kurt Wagner im Programmheft zitiert. Deshalb, wie schon beim Melvins-Auftritt: Understatement. Acht Musiker der gegenwärtig 15 Mitglieder umfassenden Band gehen mit dem Rücken zum Publikum und mit Blick auf die Leinwand in Position, versinken im Dunkel, und schon mit den ersten Akkorden ist es, als würde man Sunrise zum ersten Mal erleben.

Bekannt ist zwar die schlichte Geschichte des jungen Farmers (George O'Brien), der - von einem coolen Vamp betört - seine Frau (Janet Gaynor) zuerst ermorden will und sich dann bei einem Ausflug in die große, laute Stadt von neuem in sie verliebt. Und bekannt waren für viele im Publikum wohl auch einige der Songs, die Wagner intonierte: Sie stammen nämlich aus dem jüngsten Lambchop-Doppelalbum Aw C'mon/No You C'mon, wo sie - sorry, subjektive Einschätzung - eher überkandidelt und etwas lahm daherkamen. Live hingegen überraschen sie wieder: reduzierter, kraftvoller, roher.

Für das Zwischenspiel zwischen Laufbild und Ton bedeutete dies: Hinter der auf den ersten Blick etwas pathetischen Eloge auf das Gute im kleinen Mann legte Lamb-chops Crossover zwischen Country, Rock und Soul beträchtlichen Witz frei.

Szenenapplaus etwa für den irrwitzigen Kirtag samt besoffenem Ferkel, in den der Farmer und seine Frau eintauchen. Und dagegen, wie Janet Gaynor (beinahe) ertrinkt, war der Untergang von James Camerons Titanic fast schon wieder ein Tauchgang in der Badewanne. Ursprünglich ist Lambchops Sunrise-Adaption für das San Francisco Festival entstanden. Wir flehen um eine DVD-Version! (Claus Philipp/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1. 12. 2004)