Rom - Die italienische Regierung hat in der Nacht zum Samstag ein milliardenschweres Steuersenkungspaket beschlossen. Eine prinzipielle Einigung auf das umstrittene Paket war nach monatelangem Gezerre in der Koalition bereits am Donnerstag erzielt und damit ein Bruch des Regierungsbündnisses abgewendet worden.

Der Steuersenkungsbeschluss verzögerte sich dennoch über Stunden, da Ministerpräsident Silvio Berlusconi in einem Einzelgespräch mit Bildungsministerin Letizia Moratti deren Bedenken gegen Kürzungen ihres Etats besprach. Der Kompromiss, der Steuersenkungen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro vorsieht, wird nunmehr offiziell in einen Nachtragshaushalt eingestellt. Beide Kammern des Parlaments müssen ihn noch bis Ende des Jahres billigen. Zugleich erließ das italienische Kabinett ein Dekret, mit dem ein Verstoß gegen die Defizitregel des EU-Stabilitätspakts verhindert werden soll.

Opposition dagegen

Die italienische Opposition droht mit einer Massenmobilisierung gegen die Steuerreform: Die Linksparteien warnten vor "katastrophalen Folgen" der Reform mit Einsparungen von 6,5 Mrd. Euro, die Regierungschef Berlusconi nach langwierigem Tauziehen mit seinen Koalitionspartnern durchsetzen konnte.

"Die Steuerreform ist pure Wahlpropaganda. Berlusconi will bei den Italienern den Eindruck erwecken, dass der Steuerdruck nachlässt, dabei zwingt er sie auf indirekte Weise zur Zahlung von 7,8 Mrd. Euro", meinte der Wirtschaftsexperte der oppositionellen Sammelbewegung "Margherita", Enrico Letta. Vor allem die Ausgabeneinschnitte im Sozialbereich, die Berlusconi zur Gegenfinanzierung der Steuerreform beschlossen hat, würden den Italienern teuer zu stehen kommen, meinte er.

Gewerkschaft: "Soziales Massaker"

Die Gewerkschaften warnten vor einem "sozialen Massaker" und riefen die Bürger zu einer Massenbeteiligung an dem für Dienstag geplanten Generalstreik gegen den wirtschaftlich-sozialen Kurs der Regierung auf.

Ab Montag wird das Steuerpaket im Parlament diskutiert. Im Einzelnen werden Privatpersonen jährlich um sechs Milliarden Euro und Unternehmen um eine halbe Milliarde entlastet. Der Spitzensatz in der Einkommenssteuer (IRE) wird von 45 Prozent auf 43 Prozent reduziert. Er greift wie bisher ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro. Der Eingangssteuersatz der bisher fünfstufigen und künftig vierstufigen IRE bleibt bei 23 Prozent.

Höherverdienende profitieren

Laut unabhängigen Schätzungen profitieren in erster Linie Bezieher höherer Einkommen von der Reform. In den Schulen sollen beim Lehrpersonal rund 14.000 Stellen gestrichen werden. Den Universitäten werden rund 600 Millionen Euro weniger zugedacht. Firmen, die in strukturschwache und industriearme Gegenden investieren, sollen künftig nicht mehr mit Subventionen unterstützt werden. Mit einem Einstellungsstopp in der öffentlichen Verwaltung will Berlusconi bis Ende 2006 75.000 Beamtenposten streichen.

Berlusconi-Sprecher Paolo Bonaiuti versicherte, dass die Reform vollständig gegenfinanziert sei. Er bezeichnete die Einigung über die Reform als großen Erfolg und äußerte die Hoffnung, dass die Steuerreform der Konjunktur einen positiven Schub verleihen werde.

Warnung des IWF

Vor Steuersenkungen in Italien hatte erst Anfang November der Internationale Währungsfonds (IWF) gewarnt. Nach Einschätzung des IWF benötigt das Land rund sechs Milliarden Euro zusätzlicher Einnahmen, um nicht das Defizitkriterium der Europäischen Union (EU) zu verfehlen. Das nunmehr von der Regierung erlassene Dekret soll sicherstellen, dass durch fiskalpolitische Maßnahmen im Umfang von 2,6 Milliarden Euro ein Überschreiten der EU-Defizitgrenze von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im diesjährigen Haushalt verhindert wird. Das Defizitziel der Regierung liegt bei 2,9 Prozent. (APA/Reuters)