Wenn sich "Odysseus" auf seinen Schoß setzt und schnurrt, dann kommt Christian Köberl zur Ruhe. Nur bei dem in Griechenland vor vielen Jahren aufgelesenen Kater, "ein blonder Tiger", bleibt er ruhig sitzen. Ansonsten ist der Kraterforscher meist auf Achse, also im Flugzeug zu finden.

Er war heuer schon in Vietnam, Ghana und Brasilien in Sachen Kraterforschung unterwegs. Kein Kontinent, den er noch nicht betreten hat, sogar in der Antarktis hat er schon Millionen Jahre alte Meteoriteneinschläge inspiziert. Seit Kurzem leitet er ein Riesenprojekt des International Continental Scientific Drilling Program am Bosumtwi-See in Ghana. Dazu ist derzeit ein neues Projekt im Anlaufen: An der Ostküste der USA, nahe Washington, wird ein Krater, geschätzte 35 Millionen Jahre alt und gut 85 Kilometer im Durchmesser, untersucht.

Köberl findet es fantastisch, dass er dank "akademischer Freiheit" an dem forschen kann, was ihn seit Schultagen brennend interessiert. Von der Wichtigkeit seiner Grundlagenforschung ist er überzeugt. "Wir tragen bei zum Wissensstand der Menschheit." Und da man vom Staat bezahlt werde, "müssen wir auch bekannt machen, was wir tun, damit dieses Wissen zu Verfügung steht". Sprich, er ist von der Notwendigkeit der Wissenschafts-PR überzeugt und er ist sich nicht zu schade, Vorträge auch an den Volkshochschulen zu halten.

Allerdings kann den umtriebigen Forscher die Uni auch gewaltig nerven. Stichwort Bürokratie, "wo der Aufwand in keiner Relation zur Effizienz steht". Wenn es etwa um Reisekosten geht, moniert der Vielflieger. Da werde ein Theater gemacht um einen Fünf-Euro-Beleg, alles doppelt und dreifach kontrolliert. "Ich habe Geräte mit Kosten um ein paar Hunderttausend Euro, da sind ein paar Euro unter meiner Radargrenze."

Die akademische Karriere entwickelte sich für Köberl kontinuierlich. Er studierte in Wien Chemie und Astronomie. Für die Dissertation verschmolz er diese beiden Disziplinen zur "Kosmochemie". In den 80er-Jahren, als an der Universität Wien ein Institut für Geochemie gegründet worden war, wurde er dort Assistent, "habe mich dann relativ schnell habilitiert". Das war 1989. Mittlerweile ist seine Publikationsliste ellenlang, "gespeist aus vielen Projekten" kommen jährlich zwischen 15 und 20 wissenschaftliche Veröffentlichungen dazu. Er bekam den "Start"-Preis des FWF und wurde zum Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften berufen. Jetzt "wäre es nicht schlecht, wenn man noch ordentlicher Professor würde", so der Wunsch des Wissenschafters.

Extrahobbys kann sich Christian Köberl zeitlich kaum mehr leisten, er versucht allerdings, bei seinen Forschungsreisen auch privat den einen oder anderen Tag anzuhängen. Auf vielen Reisen begleitet ihn seine Frau, eine Künstlerin und gebürtige US-Amerikanerin. Vor 17 Jahren ist sie mit ihm nach Wien gekommen, seit zwei Jahren wohnen die beiden in einem Haus in Klosterneuburg. Dort finden sich auch seine Bücher. Rund sechstausend habe er. Vor allem alte wissenschaftliche Bücher interessieren ihn, davon hat er schon ein paar Hundert Exemplare zusammengetragen.

Wenn er, abgesehen von Wissenschaftstexten, zum Lesen kommt, interessiert ihn die Literatur des 20. Jahrhunderts. Max Frisch beispielsweise zählt zu seinen Lieblingen, der Argentinier Jorge Luis Borges und der südafrikanische Nobelpreisträger John Maxwell Coetzee gehören auch dazu. (Andrea Waldbrunner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28. 11. 2004)