Wirtschaftlicher Stellenwert der Jagd

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Naturnahe Waldbewirtschaftung hat in Vorarlberg Tradition. Dennoch ist fast die Hälfte der Waldfläche vom Wild schwer geschädigt. In Möggers griffen Waldbesitzer zur Selbsthilfe und wurden Jäger. Der Wald dankt ihnen dies mit natürlicher Verjüngung.

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Manchmal kann man im Sägetobel die Elfen tanzen sehen. Die steigen zwar nicht aus Moosbettchen und Wasserquellen, sondern kommen per Bus herauf aus der Musikschule im Leiblachtal. Aber das mindert die Freude der großen und kleinen Besucher des Wald-Erlebnispfades in Möggers kein bisschen. Wer der Natur so nah ist wie im Schluchtenwald hoch über dem Bodensee, der glaubt gerne an Elfen und Trolle.

Anmeldung bei Waldbewohnern

"Ja freilich wohnen die da heroben im Wald", sagt Georg Fritz und greift nach der Holzglocke, die nichts anderes ist als ein Stück ausgehöhlter Baumstamm. "Wir müssen uns bei den Waldbewohnern anmelden, die wollen wissen, wer da kommt."

Bauer Fritz ist einer der acht Waldbesitzer, die in mühevoller Kleinarbeit in einem Stück des Plenterwaldes einen Lehrpfad eingerichtet haben. Für Abenteuerlustige, Wissensdurstige und Zivilisationsmüde. Nicht nur damit Stadt- und Kopfmenschen "Hilfe in allen Lebenslagen bei Doktor Wald finden". Auch um all jenen, die über die Möggerer Bauern Gift und Galle spucken, zu zeigen, "was in einem Wald aufkommen kann, wenn der Wildbestand stimmt".

Reh-Invasion

Der Wildbestand war lange Zeit viel zu hoch. Die Konsequenzen der Reh-Invasion waren extreme Waldschäden, die natürliche Verjüngung blieb aus. "Eine ganz klare Folge der Feudaljagd. Die Fabrikanten hat doch der Wald nicht interessiert", blickt Fritz zurück auf die 1980er-Jahre. 1989 griff er zur Selbsthilfe, motivierte seine Nachbarn. Zehn Bauern machten allen gesetzlichen Hindernissen zum Trotz den Jagdschein, bewirtschafteten die Reviere von nun an selbst, reduzierten den Wildbestand radikal. Die "Öko-Jäger von Möggers" wurden zum Vorbild weiterer Initiativen in Bayern, aber auch im Bregenzerwald.

Kultiviertes Feindbild

Für die etablierte Jägerschaft entstand ein neues Feindbild, das bis heute sorgsam gepflegt wird. Landesjägermeister Michael Manhart: "Die haben ja bis vor Kurzem alles abgeschossen, was sie gesehen haben." Von Totalabschuss ist längst nicht mehr die Rede in Möggers, sondern vom ökologischen Gleichgewicht. Der Wald gibt bereits kräftige Zeichen der Erholung. Georg Fritz: "Sogar im Dunkelwald haben wir wieder natürliche Verjüngung." Die Freude des Waldbesitzers: "Es wachsen wieder Weißtannen und sogar Eiben."

Die ökologischen Zusammenhänge sollten auch im neuen Vorarlberger Jagdgesetz - das bestehende wird zurzeit evaluiert - verankert werden, fordern Georg Fritz und sein Mitstreiter Reinhard Beer. Mit dem pensionierten Landesbeamten, der Leiter der Umweltabteilung war, hat Fritz die Initiative "Waldundwild" gegründet. In Exkursionen zeigen sie beste und auch schlechte Beispiele auf.

Selbstregulierung

Beer umreißt das Ziel: "Der Natur Zeit und Raum für die Selbstregulierung lassen." Mit "willkürlich festgelegten Abschusszahlen, also politischen Zahlen", sei das nicht erreichbar. Vielmehr müsse der Wildbestand an den Naturzustand gebunden werden.

In Vorarlberg gibt es laut Landesregierung 484 Jagdgebiete. Große Waldbesitzer wie Adel, Klöster oder Bundesforste hat das Bundesland nicht aufzuweisen. Der überwiegende Teil der Reviere wird von Pächtern bewirtschaftet. Mit 30 Prozent ist der Ausländeranteil dabei bundesweit am höchsten. Die Jagdherren kommen aus Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein.

Nur 27 Grundbesitzer üben die Jagd selbst aus. 2003 wurden 1360 Jagdkarten ausgestellt. Erlegt wird vor allem Rehwild. Die Pachteinnahmen sind Zusatzmittel der Bauern - "mehr als der Forst bringt", sagt Georg Fritz; rund 3,3 Millionen Euro im Vorjahr.

Keine verpflichtende Mitgliedschaft

Im Gegensatz zu den anderen Bundesländern sind die Jäger nicht zur Mitgliedschaft in einem Verband verpflichtet. Das soll sich, so der Wunsch des Jagdschutzvereins, ändern. Eine Horrorvorstellung für die Grünen. Klubobmann Johannes Rauch: "Das hieße den Bock zum Gärtner machen." Auch die Grundbesitzer von Möggers halten wenig von der Verbandsidee, sie befürchten "noch mehr Einfluss für die Jägerschaft", die ohnehin schon zu viel davon habe. (Jutta Berger, DER STANDARD Printausgabe 27/28.11.2004)