Wien - Die amerikanische Wirtschaft ist nach Einschätzung des US-Ökonomen Roger Mesznik in einer weitaus schlechteren Verfassung als es scheint - und der Verfall des Dollar sei ein akutes Krisensymptom. Eine weitere Abwertung des Dollar sei angesichts des riesigen Außenhandelsdefizits sehr wahrscheinlich, werde dieses aber nur kurzfristig verringern, sagt der Professor der Columbia Business School im STANDARD-Gespräch. "Dahinter stehen nämlich tiefe strukturelle Probleme. Die Sparquote der Amerikaner beträgt nur einen Bruchteil von einem Prozent, und dies ist viel zu wenig. In Europa sind es zwölf Prozent. Und die Exporterfolge von China, Japan und Korea sind nicht eine Frage des Preises. Diese Güter werden in den USA gar nicht mehr hergestellt, oder zumindest nicht in der gewünschten Qualität."

"Flucht aus Realität"

Die Bush-Regierung müsste dringend das in den letzten vier Jahren massiv gestiegene Haushaltsdefizit reduzieren und die Haushalte zum Sparen anhalten. Doch stattdessen sind weitere Steuersenkungen und eine "Flucht aus der Realität" zu erwarten, meint Mesznik. Ein rascher Dollarverfall würde die Inflation hochtreiben und die Notenbank zu einer Erhöhung der Zinsen verleiten, warnt er. "Es ist zwar das Problem der USA, aber sie würden es sofort nach Europa exportieren."

Insgesamt sei der US-Regierung der Kurs des Dollar nicht wichtig genug, als dass sie etwas dagegen unternehmen würde. Neben den akuten Ungleichgewichten gebe es Probleme mit dem ungerechten Steuersystem, der schlechten Infrastruktur sowie dem Gesundheits- und Pensionssystem. "Die Amerikaner neigen dazu, ihren Problemen davonzulaufen. Und die Zusammenballung all dieser Probleme ist überwältigend." Die Wirtschaft wachse zwar schneller als in Europa, vor allem als Folge des stärkeren Bevölkerungswachstums.

Der Finanzexperte hat in seiner Jugend in Wien studiert und hält derzeit eine Gastprofessur an der Donau-Uni in Krems. Am Freitag war er Gast beim Business Circle in Wien. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28.11.2004)