Moskau - Die Führungsspitze des russischen Ölriesen Yukos sieht offenbar keine Zukunft mehr für den angeschlagenen Konzern. In einer außerordentlichen Versammlung am 20. Dezember würden die Aktionäre vor die Wahl zwischen einem Insolvenzantrag oder der sofortigen Abwicklung des Unternehmens gestellt, teilte der Aufsichtsrat am Freitag mit. Damit schloss sich das Gremium der Empfehlung des Vorstands an.

Kein Notfallplan, kein Krisenprogramm

Dieser erklärte, ein ursprünglich in Betracht gezogener mittelfristiger Notfallplan für die kommenden vier Jahre werde ebenso wenig umgesetzt wie ein zuletzt geplantes Krisenprogramm für die nächsten Monate. Grund sei der "beispiellose tägliche Druck" der russischen Staatsanwaltschaft auf Yukos.

Angesichts des für Dezember angekündigten Verkaufs der Produktionstochter Yuganskneftegas, zusätzlicher Steuerforderungen für das Jahr 2003 und "fehlender Antworten der Regierung auf zahlreiche Kompromissvorschläge" des Unternehmens sei der kurzfristige Notfallplan hinfällig, erklärte der Aufsichtsrat nach Beratungen am Vortag. Das Papier stehe auf der Aktionärsversammlung nicht zur Abstimmung.

Ähnlich äußerte sich der Vorstand. Selbst mit dem mittelfristigen Plan, mit dem das Konzerngeschäft bis 2009 gesichert werden sollte, habe für das Management wegen der Aussicht auf die faktische Zerschlagung des Konzerns "keine Aussicht bestanden, einen solchen Plan umzusetzen".

Kritik an Steuerforderungen

Deutlich kritisierte der Vorstand die "unbegründeten" Steuerforderungen des Staats für 2003 in Höhe von fast sechs Mrd. Dollar (4,5 Mrd. Euro) und den "gezielten Druck der russischen Staatsanwaltschaft" der vergangenen Tage. Für die Yukos-Krise seien allein die russischen Justizbehörden zuständig, die auch die Verantwortung für "mögliche weitere Risiken" übernehmen müssten.

Der staatliche Eigentumsfonds hatte am vergangenen Freitag mitgeteilt, die Yukos-Tochter Yuganskneftegas werde bereits am 19. Dezember versteigert. Startgebot seien 8,65 Mrd. Dollar. Nach neuen Forderungen des Fiskus für 2003 beläuft sich die Steuerschuld von Yukos auf insgesamt 24,4 Mrd. Dollar. Yuganskneftegas produziert täglich eine Mio. Barrel Öl und steuert damit rund 60 Prozent der Yukos-Produktion bei.

Opfer

Der Konzern wird in Russland auch als Opfer eines Machtkampfes zwischen der Regierung und Konzerngründer Michail Chodorkowski gesehen. Vom Staat wurden die Steuerforderungen erst geltend gemacht, nachdem Chodorkowski versuchte, politischen Einfluss zu erlangen und sich offen gegen Kreml-Chef Wladimir Putin stellte. Chodorkowski sitzt seit gut einem Jahr in Haft. (APA)