Wien - Finanzminister Karl-Heinz Grasser will künftig Trinkgelder im Gastgewerbe, die über Kreditkarten oder die Zimmerrechnung geleistet werden, versteuern. Dies stößt auf heftige Kritik der Tourismusgewerkschaft. Bar bezahlte Trinkgelder sollen hingegen weiterhin nicht der Lohnsteuer unterliegen. Anfang Dezember soll es dazu im Finanzministerium ein klärendes Gespräch mit Vertretern und Steuerexperten der Arbeiterkammer (AK), Gewerkschaft und Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) geben.

"Beschämend"

"Grassers jüngste Geldbeschaffungsaktion" sei "beschämend", kritisierte der Vorsitzende der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD), Rudolf Kaske, am Donnerstag. Die Löhne der Tourismusbeschäftigten lägen um ein Drittel unter den österreichischen Durchschnittsgehältern, die Mitarbeiter seien daher auf Trinkgelder angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. "Es ist absurd, jenen etwas wegzunehmen, die am wenigsten verdienen", so Kaske. Ein gelernter Restaurantfachmann, sprich Kellner, verdiene gemäß Kollektivvertrag beispielsweise 1.022 Euro brutto, ein Oberkellner, der fünf Servierkräfte koordiniert, 1.212,50 Euro brutto.

Trinkgeld für ein Drittel der Beschäftigten

Rund ein Viertel bis ein Drittel aller Beschäftigten im Hotel- und Gastgewerbe bekommen Trinkgelder in unterschiedlicher Höhe, schätzt Kaske. Im Servicebereich in Bars und Hotels seien Trinkgelder häufig, bei Zimmermädchen hingegen immer seltener, an der Rezeption gebe es Trinkgeld nur für Sonderleistungen.

Trinkgeld sei "eine freiwillige Zuwendung des Gastes für gute Leistungen", die nicht dem Dienstverhältnis zuzurechnen sei und daher nicht der Lohnsteuer unterliege, meint Kaske. Kreditkarten-Trinkgelder seien "als Bezüge aus einem bestehenden Dienstverhältnis der Lohnsteuer zu unterziehen", heißt es hingegen im entsprechenden Erlass des Finanzministers. Kommt es Anfang Dezember zu keiner Einigung zwischen Finanzministerium und Branche, will Kaske "alle rechtlichen Möglichkeiten ausloten" und gemeinsam mit den Kreditkarten "intelligente Lösungen" finden, um die Lohnsteuer zu umgehen.

Dienstgeber müssten Trinkgelder versteuern

Durch die Pläne Grassers würden nicht nur die Arbeitnehmer zur Kasse gebeten, auch die Dienstgeber müssten Trinkgelder bis zu fünf Jahre rückwirkend versteuern, kritisierte Kaske. In den Betrieben gebe es völlig unterschiedliche Abrechnungssysteme, die im Nachhinein angesichts des häufigen Wechsels von Mitarbeitern nur schwer nachzuvollziehen seien: "Nun bräuchte es eine eigene Buchhaltung für Trinkgelder", so Kaske. Außerdem sei es absurd, dass die Trinkgelder laut Erlass bei Betrieben, wo es keine Aufzeichnungen über die Aufteilung von Trinkgeldern durch den Zahlkellner gebe, zur Gänze vom Zahlkellner lohnzuversteuern seien.

Verärgert zeigte sich der Tourismusgewerkschafter auch darüber, dass der Hauptverband der Sozialversicherungsträger Jubiläumsgelder für zehn Jahre Betriebszugehörigkeit nicht mehr als sozialversicherungsfrei anerkenne. Als Begründung werde angeführt, dass zehn Jahre noch kein Jubiläum seien. Dies zeuge "von völliger Unkenntnis" der Tourismusbranche, in der die Durchschnittsbeschäftigung in einem Betrieb 187 Tage betrage.

Auch WKÖ lehnt Steuer ab

Auch der Fachverband Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich lehnt die geplante Versteuerung der Kreditkarten-Trinkgelder ab. Die Lohnsteuerpflicht für Trinkgelder sei als "Strafsteuer für freundliches Service" entschieden abzulehnen, hieß es am Donnerstag.

(APA)