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Diana Krall
Foto: APA/Keystone/Walter Bieri
Wien - Forschen Schrittes betrat sie die Bühne, verbeugte sich eher beiläufig, um sich zielstrebig in medias res zu begeben. Noch in den Begrüßungsapplaus hinein begann Diana Krall im Großen Wiener Konzerthaussaal die Tastatur zu behämmern. Und ließ gleich die Ohren spitzen: Eine verquere Reise durch die Jazzgeschichte zwischen scheppernden Honky-Tonk-Akkorden und Swing-Reminiszenzen zog da im Zeitrafferstil vorüber: Keine Sensation, aber doch unerhört für Krall.

Wie auch die folgende Version von Mose Allisons "Stop This World": Die Balladenprinzessin des Retrojazz, die Nachlassverwalterin verblichener Jazzgeister gefällt sich in poppiger Schmissigkeit. Und setzt mit "The Girl In The Other Room" ein Lied aus eigener Feder drauf: Immerhin solides Songwriting, meilenweit entfernt vom nostalgischen Plagiatverdacht, der sie zu umgeben pflegt.

Krall hat 2002 einen gewissen Elvis Costello geheiratet, seines Zeichens offenohriger Popeklektiker. Auf seinen Rat hört die 40-Jährige nun offenbar mehr als auf den ihrer Produzenten. Glücklicherweise. "The Girl in The Other Room" hieß das Anfang 2004 publizierte Album, auf dem Kralls Ausdrucksbedürfnis erstmals das Korsett sprengte: Bislang nicht gehörte Coverversionen von Joni Mitchell und Tom Waits finden sich darauf.

"It's jazz music, which gives me the right to change my mind", wendet sich Krall ans Publikum, nachdem sie am Piano mit harmonischen Valeurs reizvolle Tonmalerei betrieben hat. Zwar begleiten Anthony Wilson (Gitarre) und Bob Hurst (Bass) noch immer so, als hätten sie die "alte" (jüngere) Krall vor sich - die Kanadierin selbst wirkt locker, geradezu gelöst.

Und drückt im Gegensatz zu früheren Balladenmarathons immer wieder aufs Tempo. So sehr, dass saubere Intonation zuweilen sekundär scheint. Kein Zweifel, hier ist längst nicht alles am Punkt, wirkt etwa eine Version von Boulevard of Broken Dreams allzu bemüht in Richtung Waits designt. Doch man spürt, hier ist eine Musikerin im Aufbruch, die riskiert. Willkommen im Leben, Mrs. Krall! (DER STANDARD, Print, 25.11.2004)