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Foto: Archiv
Die trüben braunen Fluten des mächtigen Jangtses sind einer ruhigen smaragdgrünen Wasseroberfläche gewichen. Immer steiler ragen an beiden Seiten mächtige Felswände bis auf über 1.000 Meter empor. Die dreitägige Schifffahrt durch die dramatischen Schluchten am Jangtse gehört zweifellos zu den herausragendsten Erlebnissen einer China-Reise. Sie führt auch zu einem der umstrittensten Bauprojekte - dem Drei-Schluchten-Staudamm.

Die Schiffstouren beginnen gewöhnlich in Chongqing. Diese Sechs-Millionen-Stadt ist ein Paradebeispiel für den wirtschaftlichen Aufschwung Chinas im vergangenen Jahrzehnt. In der zentralen Fußgängerzone unterscheiden sich die Geschäfte mit ihrem üppigen Angebot und der farbenprächtigen Werbung durch nichts mehr vom einst so verpönten kapitalistischen Westen. Wer noch etwas vom ursprünglichen Charakter mitbekommen möchte, sollte den von gläsernen Hochhausfassaden umrahmten Arhat-Tempel Luohan Si mit seinen 500 Skulpturen buddhistischer Heiliger besuchen.

Auf dem Weg zum Hafengelände am Zusammenfluss von Jialing und Jangtse muss der Individualreisende gewöhnlich eine Schar von Ticket-Verkäufern abwehren, die ihn davon überzeugen wollen, dass gerade sie den besten Service für die Bootstour anbieten. Am preisgünstigsten ist es, direkt zum Büro der staatlichen Schiffsgesellschaft am Chaotianmen-Dock zu gehen. Auf deren einfacheren Fähren ist man fast ausschließlich mit Einheimischen zusammen, die sich im Zuge des wachsenden Wohlstands immer öfter Urlaubsreisen leisten. Doch auch an Luxusschiffen gibt es reichhaltige Auswahl.

Wichtig ist die Ankunftszeit bei der ersten Jangtse-Schlucht. Diese muss am frühen Morgen erfolgen, damit man den Staudamm noch vor Anbruch der Dunkelheit erreicht. Das Boot der staatlichen Fährgesellschaft verlässt Chongqing gegen 20.00 Uhr und kommt am übernächsten Tag bei den flussabwärts gelegenen Schluchten an.

Am ersten Tag sind neben ausgiebiger Erholung zwei interessante Landgänge eingeplant. Frühaufsteher können bei Fengdu eine Tempelanlage mit Teufelsskulpturen besuchen sowie eine verlassene Ortschaft, deren Bewohner wie insgesamt fast zwei Millionen Menschen dem 1992 begonnenen Staudammprojekt weichen mussten. Gegen Mittag legt das Boot bei der zwölfstöckigen Pagode Shibao Zhai an, die sich an eine Felswand anlehnt.

Am zweiten Morgen wird der Schiffsreisende schon kurz nach 5.00 Uhr geweckt, damit er die acht Kilometer lange Schlucht Qutang nicht verpasst. Das Naturschauspiel entschädigt für das jähe Erwachen. Anschließend besteigen die Passagiere kleinere Motorboote, um zu den drei kleinen Schluchten des Nebenflusses Daning zu gelangen. Ganz oben an dessen steilen Felsufern sind Höhlen zu sehen, in denen früher die Toten bestattet wurden. Am Ende der Strecke erreicht man die noch dramatischeren drei Mini-Schluchten, durch die nur noch kleine Holzkähne fahren.

Zum Mutterschiff zurückgekehrt, geht es weiter durch die 40 Kilometer lange Schlucht Wu und die insgesamt 80 Kilometer lange, aber nicht mehr so spektakuläre Schlucht Xiling. An den Ufern fallen immer wieder verlassene Städte auf, und es wird klar, welchen Einfluss der Drei-Schluchten-Staudamm schon vor seiner Inbetriebnahme auf die Flusslandschaft genommen hat. Den Abschluss der langen Tagesreise bildet dann ein Besuch der kolossalen Staumauer und des dortigen Informationszentrums.

Der gewaltige Damm - gut 2.300 Meter breit und 185 Meter hoch - soll von 2009 an die Stromerzeugung von 18 durchschnittlichen Atomkraftwerken ermöglichen. Die Kapazität entspricht fast einem Fünftel der jetzigen Energiegewinnung in China. Zweifellos wird dieses Mammutprojekt die Industrialisierung vorantreiben, auch wird sich die Navigation des Jangtses besser kontrollieren lassen. Umweltschützer befürchten jedoch verheerende Auswirkungen auf die einzigartige Flusslandschaft und ihre Bewohner. Wirtschaftsexperten wiederum bemängeln die enormen Kosten, ferner sind die Sicherheitsstandards umstritten.

Nach diesem Ausflug voller Kontroversen erreicht man am Morgen des dritten Tages die Stadt Yichang, wo die meisten Urlauber das Schiff verlassen. Möglich ist aber auch eine Weiterfahrt nach Wuhan und sogar bis nach Schanghai an der Pazifikküste. Längst sind dem Reisenden die unvorstellbaren Ausmaße des Jangtses klar geworden. Mit seinen 6.300 Kilometern wird er nur noch vom Nil und vom Amazonas übertroffen.(apa)