Fünfzehntausend Aktionäre ziehen gegen ihr eigenes Unternehmen vor Gericht und verlangen Schadenersatz. Sie bestreiten die hohe Unternehmensbewertung der Deutschen Telekom, auf deren Basis zur Hochblüte von Telekom & Tech an den Börsen Millionen von braven Sparbuchsparern "Volksaktien" schmackhaft gemacht wurden. Die "Volksaktionäre" haben auch brav Deutsche Telekom gekauft - und während der Bund Milliarden lukrieren konnte, dürfen sie 90 Prozent ihrer Investitionen abschreiben. Ob lautere Marktkräfte allein die Ursache waren oder doch unlautere Verkaufshilfen dazukamen, wird jetzt überprüft. Und das ist gut so.

Selbstbewusste Anleger

So gesehen sind die Kapitalmarktvertreter mit ihrer Forderung nach einer "Aktionärskultur" weit gekommen: Die Anteilseigner sind selbstbewusst genug, um sich über Musterklagen zu trauen, die sie im Anlauf auch noch selbst finanzieren müssen. Dass in der Deutsche-Telekom-Geschichte rund um die Hochblüte von Ron Sommer und ihre überdimensionierte Expansionslust bei der Firmenbewertung Gutes noch schöner dargestellt wurde, ist möglich. Allerdings: Der jetzt in Frankfurt angelaufene Prozess wird vermutlich jahrelang laufen und hunderte Anwälte und Gutachter ein Stück wohlhabender machen. Aber das ist gar nicht der Punkt.

Um in der Sprache der Verkäufer der "Volksaktie" zu bleiben: Das Volk ist aufgestanden. Das spricht nicht nur für ein adäquates Selbstbewusstsein von Anteilseignern, die sonst überwiegend resignativ und lethargisch waren. Wesentliches haben die Kläger ungeachtet des Prozessausganges schon erreicht: Eine Korrektur ist in Gang gekommen, zu der auch gehört, dass der Staat als Eigentümer in Österreich und Deutschland den Verkaufsgag "Volksaktie" nicht mehr strapaziert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.11.2004)