In Österreich, sagte ein heimischer Unternehmer bei der Eröffnung seines Einkaufszentrums in Bratislava, werden alle, die einen derartigen Bau auf die grüne Wiese hinstellen wollen, "nur angestänkert". In der boomenden Westslowakei ginge alles viel schneller, die Behörden verlangen lediglich "Finanzierungsnachweise", und schon seien die Genehmigungen da.

Ohne das jetzt bis ins letzte Finanzierungsdetail hinterfragen zu wollen: Es zeigt sich, dass die neuen EU-Nachbarn im Osten mit blankem Neoliberalismus Österreich auszustechen versuchen. Firmenansiedlungen haben höchste Priorität, das Steuersystem wird voll und ganz darauf ausgerichtet (Flat Tax), an Umweltverträglichkeitsprüfungen wie in Österreich wird nicht im Traum gedacht, und dass die Arbeitnehmer im Handel auch an Sonntagen arbeiten, scheint wie selbstverständlich (die Gewerkschaften in der Slowakei sind vergleichsweise schwach).

In Österreich antwortet man darauf nach altbewährtem Rezept: "Schau ma einmal, wird scho' werden." Gerade die große Regierungspartei ist hierbei in einem Dilemma. Vertritt sie doch kleine und große Kaufleute, laute wie leise Bürgermeister, will wirtschaftsfreundlich wie gottesfürchtig sein.

Die einen fordern streng reglementierte Öffnungszeiten, die anderen eine umfassende Öffnung, um Kaufkraftabfluss zu verhindern. Die einen fordern eine Autobahn zwischen Wien und Bratislava, um den Transit aus der geplagten Gemeinde zu bekommen, die anderen sind dagegen, weil die Greißler im Ort sonst revoltieren.

Das Ergebnis ist: ein zerfleddertes Ladenschlussgesetz sowie eine für eine europäische Hauptstadtregion schlicht peinliche Verkehrsinfrastruktur in Richtung Bratislava (Straße wie Bahn). Das kommt davon, wenn "Schutz der eigenen Klientel" viel mehr Beweggrund ist als jede Art von Entwicklung. (DER STANDARD Printausgabe, 18.11.2004)