Buchhandlungen sind Nahversorger und als solche Garanten kultureller Vielfalt. Damit diese auch Käufer findet, dürfen die speziellen, lokale Interessen "bedienenden" Titel jedoch nicht viel teurer sein als die gängige Massenware. Sonst findet sich in öffentlichen wie privaten Bücherregalen bald nur mehr Harry Potter.

Dieses System ist filigran. Deshalb haben sich eine Reihe von Mechanismen ausgebildet, um es auszubalancieren: Für Bücher fällt nur die halbe Umsatzsteuer an. Die Verlagsförderung unterstützt spezialisierte Titel, die auf ein österreichisches - also kleines - Publikum zielen. Überdies haben Bücher einen gesetzlich fixierten Ladenpreis, und das Parlament hat die Gültigkeit des entsprechenden Gesetzes gerade erst im August auf Antrag der Regierung und mit den Stimmen aller Parteien auf unbefristete Zeit verlängert. Doch nun hinterfragen zwei verlängerte Arme des Finanzministeriums, die Finanzprokuratur und die kürzlich gegründete Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG), per Gericht, ob dieses Gesetz überhaupt mit der österreichischen Verfassung und mit dem EU-Recht im Einklang steht. Anders gesagt, die Republik drängt auf Klärung, ob die Republik Mist gebaut hat.

Und das funktioniert so: Die Regierung will Geld sparen, indem sie über diese BBG alles, was sie benötigt - auch Bücher - zentral einkauft, um bessere Preise zu erzielen. Die akute Streitfrage ist nun, ob die Republik in ihrem Spareifer vom Buchhandel nicht Rabatte einfordert, die de facto einen Bruch der Buchpreisbindung bedeuten.

Andrea Wolfmayr, eine gelernte Buchhändlerin, sitzt als ÖVP-Abgeordnete im Kulturausschuss des Parlaments. Sie rechnet vor, dass es bei den Büchern um gerade einmal 0,3 Prozent des Gesamtvolumens geht, das die BBG zentral vergibt. Versuche des VP-Wirtschaftsbundes, zwischen der Kulturpolitikerin und der BBG zu vermitteln, blieben bisher ohne Ergebnis. Wolfmayr spricht von einem "Verlust der Gesprächskultur".

Emmerich Selch, der geschäftsführende Gesellschafter von Österreichs größter Buchhandelsfirma, Morawa, hat von der BBG den Zuschlag für die Lieferung von Zeitungen und Büchern im Gesamtwert von sechs Millionen Euro bekommen. Auch bei einem Firmenumsatz von 271 Millionen ist das ein dicker Auftrag. Sein Rabattangebot in Höhe von 16 Prozent war das beste. Für Bücher sind zwar nur fünf Prozent Rabatt erlaubt, doch die Mischung mit Zeitungen und Zeitschriften ermöglichte den Rest. Morawa, sagt Selch, habe auch vorgeschlagen, den Anteil an Büchern wegen der Preisbindung getrennt auszuweisen. Die BBG habe das aber abgelehnt.

Für Morawa ist der Erhalt der Preisbindung wichtig - "aus kaufmännischen Gründen" sagt Selch. Denn als Vertreiber verdient er natürlich daran, die vielen Buchhandlungen in ganz Österreich zu beliefern. Die Mischofferte mit 16 Prozent Rabatt veranlasste den Hauptverband des österreichischen Buchhandels jedoch, sein Mitglied Morawa wegen des Verdachts auf Bruch der Buchpreisbindung zu klagen. Daraufhin trat die BBG dem Verfahren bei und will jetzt wissen, ob das ganze Buchpreisbindungsgesetz verfassungs- und EU-konform ist. Faktum ist: Macht dieses Vorpreschen des Bundes bei anderen Institutionen Schule, wäre das für viele Buchhandlungen, die schon jetzt dem Konkurrenzdruck kaum standhalten können, existenzgefährdend.

Nun haben Buchhandel und Verlage in Österreich zwei Vertretungen: den Hauptverband als freiwilligen Branchenverbund und die Kammer. Als klar wurde, wie sehr die Republik beim Einkauf künftig Druck machen würde, gab es keinen Schulterschluss zwischen den Vertretungen. Die Kammer wollte beim Buchpreisbindungsgesetz als Kompromiss einen "generellen Behördenrabatt" einbauen. Der Hauptverband entschloss sich für die härtere Gangart. Wirklich hart ist indessen nur die Republik: BBG-Geschäftsführer Andreas Nemec, bittet den Autor "um Verständnis", dass er "alle Fragen, die das laufende Verfahren betreffen", nicht beantworten könne, und verweist stattdessen auf den Hauptverband. Dieser wiederum berief eine Pressekonferenz ein (ohne die Kollegen von der Kammer), auf der Verbandspräsident Alexander Potyka von "Skandal" spricht, zugleich jedoch die Vermutung äußert, dass die ganze Affäre im Grunde politisch von niemandem beabsichtigt, sondern "passiert" sei. Was meine Eindrücke durchaus bestätigt.

Dumm ist bloß, dass durch dieses Versehen womöglich die heimische Buchlandschaft arg ramponiert, die tragende Säule Buchpreisbindung vielleicht beschädigt oder gar gekippt wird und ein nicht absehbarer Flurschaden an der kulturellen Infrastruktur entsteht. Vielleicht gewinnt die Republik am Ende den Prozess. Gegen sich selbst. Dann sind wir alle stehend k.o. (DER STANDARD, Printausgabe vom 15.11.2004)