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Kaum eine Formation der Wiener freien Szene hat ihre Theatersprache so hoch entwickelt wie "toxic dreams". Und dabei stecken hinter toxic dreams alles andere als Träumer, nämlich Theaterdenker. Zur Tragweite ihrer Umsetzungslust an Shakespeares "Titus Andronicus" gehört nun, im dritten Teil, der den Mohren Aaron fokussiert, die Minstrel-Show. Jene politisch unkorrekte, faschingshafte Darstellung, in der im 19. Jahrhundert weiße Nordamerikaner Lieder, Tänze und die Sprache schwarzer Südstaatler parodiert haben.

Die Minstrel-Show ist in Titus 3 Lösung für die Unmöglichkeit, Shakespeares kaltblütige Tragödie um den römischen Kaiserstuhl aufzuführen (40 Personen). Man inszeniert gewissermaßen das "Nachwort" zum Text: Ein lakonischer Kommentar zur Aufführungsgenese von Peter Brook bis zur Royal Shakespeare Company ist immer wiederkehrendes Element des Showprogramms.

Abgehackte Beine und Arme, herausgerissene Zungen, geköpfte Brüder und Söhne - das Fanal der Verstümmelungen kann nur mehr "im Vorbeigehen" zitiert werden: mit roten Nudelwalkerhänden und einer pathetischen Blutbänderchoreografie.

Leider kommt der Abend zu keinem konzentrierten Punkt, löst sich in Dauerbeschallung (Liveband, Lieder, Mikrofontext) auf. Die referenzielle Kunst des Regisseurs Yosi Wanunu aber behält dahinter ihre Note. (afze/DER STANDARD, Printausgabe, 16.11.2004)