Dass "Landgasthäuser, die kein Wildfleisch auf der Speisekarte haben", gnadenlos "out" sind, kann man im österreichischen Jagdmagazin "Weidwerk" nachlesen, das monatlich an 116.069 Jagdberechtigte im Land verschickt wird. Die Direktvermarktung von Wild aus heimischen Revieren, heißt aus Jägerhand direkt an Gastronomen, Fleischer oder Gemeinschaftseinrichtungen, wird unter anderem vom niederösterreichischen Landesjagdverband (NÖ LJV) heftig propagiert. Wirte, die "wildes" Wild auf den Teller bringen, können sich per Logo - "Österreichisches Wildfleisch aus freier Wildbahn" - outen. Quellen für Wildfleisch sind außerdem noch Wildbrethändler, die von Jägern beliefert werden, oder Züchter, die Wild in Gattern halten und "on demand" liefern.

Auf der Homepage des NÖ LJV wird die "überdurchschnittliche biologische Wertigkeit" des Fleisches gepriesen. Wildfleisch ist ein "hochwertiges Lebensmittel mit hervorragender Proteinqualität und hohem Nährwert", bestätigt der Ernährungsexperte Andreas Schmölzer, der auf Fleisch spezialisiert ist. "Dass es signifikant besser ist als konventionelles Fleisch, kann ich so aber nicht unterschreiben." Auch die Qualitätsunterschiede zwischen Fleisch aus freier Wildbahn und Züchtung, für die genaue Auflagen bei Flächen und Stückzahlen gelten, seien "nicht so gravierend". Zuchttiere müssen im Schlachthaus getötet werden. Außerdem eignet sich nicht jedes Wild für das Gatter. Damwild ist in der Gemeinschaft verträglicher als Rehe, die zu manchen Jahreszeiten sehr einzelgängerische Verhaltensweisen entwickeln. Bei Gehegetieren "könnten marginale Unterschiede im Fettgehalt auftreten, der höher sein kann, da sie weniger Auslauf haben", formuliert es Schmölzer vorsichtig. Das habe aber "ernährungsphysiologisch keine Auswirkungen". Das mit dem niedrigen Cholesteringehalt sei nicht so simpel. "Cholesterin ist Bestandteil der Muskelzelle, jede Zelle braucht Cholesterin. Aber der Fettgehalt ist in diesem Zusammenhang relevant. Leute, die Probleme mit dem Cholesterinspiegel haben, haben ein Problem mit der Fettzufuhr."

Der Hygienestandard bei Wild wird von Schmölzer wie auch von Peter Paulsen vom Institut für Fleischhygiene der Veterinärmedizinischen Uni Wien und von Maria Safer von der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien als hoch bezeichnet. Safer spricht von einem "Umdenken" seit etwa zehn Jahren. Auch der Konsumentengeschmack habe sich geändert: Hautgout bei Wild, ein Geruch, der entsteht, wenn das Fleisch der Verwesung näher ist als dem Todeszeitpunkt, sei heute verpönt. 1994 trat die Wildfleisch-Verordnung in Kraft, die auch den Umgang mit dem erlegten Tier regelt. Darin werden auch "besonders geschulte Hilfskräfte" definiert, die sofort nach dem Erlegen Fleisch und innere Organe, die direkt verkauft werden, auf Abweichungen vom Normalzustand prüfen. Im Falle eines Falles tritt dann der Tierarzt auf den Plan, mögliche Untersuchungen werden vom jeweiligen Landesjagdverband bezahlt. Grundsätzlich gebe es, so Paulsen, bei großen Tieren, Schalenwild und Wildschweinen, kaum Wildkrankheiten, die auf Menschen übertragen werden können. Niederwild wie Hasen, Fasane & Co "gelten als Reservoir für verschiedene Erkrankungen, die übertragbar sein könnten", so Paulsen, "da besteht noch Forschungsbedarf. Sie sind aber insgesamt als Reservoir ein Nebenschauplatz."

Etwa 25.000 Jagdberechtigte in Österreich haben die Ausbildung zur Hilfskraft absolviert, 9.500 davon in Niederösterreich. Die Jagdprüfung ist Bedingung für den eintägigen Kurs, der mit einer Multiple-Choice-Prüfung endet. In regelmäßigen Abständen, innerhalb von zehn Jahren in Niederösterreich, fünf im Burgenland, müssen Fortbildungskurse absolviert werden.

Ein gut angetragener Blattschuss, sodass das Wild sofort tot umfällt, ist sowohl Jägerehre als auch die halbe Miete in puncto Hygiene. Wird das Tier in Magen und Eingeweide "weich geschossen", treten Bakterien in Aktion, die dort sonder Zahl siedeln. Danach wird das "Innenleben" rasch durch "sachgerechtes Aufbrechen" (Ausweiden) auf einer sauberen Unterlage entfernt. "Entgegen der jagdlichen Tradition", so Rudolf Winkelmayer, Amtstierarzt, Jäger und Ausbildner der "Hilfskräfte", sollen dafür Einmalhandschuhe verwendet werden, was "zunehmend mehr befolgt wird". Gesetzlich vorgeschrieben sei es nicht. Bei älteren Jägern werde mit Vorbildwirkung argumentiert, "ein psychologischer Kniff", so Winkelmayer. "Belächeltwerden" sei die zahmste Reaktion, sobald man die Handschuhe zückt, erzählt dagegen ein Jungjäger, der die Hilfskraft-Prüfung abgelegt hat. Bei der Jagdausbildung wurde Aufbrechen anhand von Fotos, nicht am Objekt geschult. Wesentlich ist auch die Kühlung, "weltweit die wichtigste Maßnahme gegen Fleischverderb", so Winkelmayer. Vor zehn Jahren habe es kaum Kühleinrichtungen in den Revieren gegeben, was sich, wie von Jägern bestätigt wird, heute grundlegend geändert habe. (DER STANDARD, ALBUM, Print-Ausgabe, 13./14. 11. 2004)