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Prof. Hans Werner Sinn im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema "Lohnkosten, Arbeitszeit und Wettbewerbsfaehigkeit"

Foto: APA/JAEGER
Wien - Österreichische und deutsche Unternehmen hält der Chef des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), Hans-Werner Sinn, für international wettbewerbsfähig, die Arbeitnehmer wegen zu hoher Lohnkosten aber nicht. "Es läuft falsch, weil das Lohnkostenniveau zu hoch ist", sagte Sinn am Freitag in Wien in einem Pressegespräch. Eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden und ein gleichzeitiger Umbau der staatlichen Sozialleistungen könnten zu einem "Wachstumsboom" führen, der in einem zweiten Schritt auch Arbeitsplätze schaffen würde.

"Längere Arbeitszeit ist für den volkswirtschaftlichen Kreislauf das selbe wie technologischer Fortschritt", führte Sinn weiter aus. Die Wirkung einer Arbeitszeitverlängerung würde unmittelbar eintreten, da bestehende Kapazitäten ohne zusätzliche Investitionen besser genutzt werden könnten. Zukäufe von Vorleistungen aus bzw. Produktionsverlagerung nach Asien oder Osteuropa wären dann weniger attraktiv. Jobs gebe es prinzipiell "in Hülle und Fülle", sie würden sich zu dem heutigen Lohnniveau aber nicht rentieren, meint Sinn.

Sozialhilfe ist "Lohn fürs Nichtstun"

Gleichzeitig spricht sich der ifo-Chef für eine Änderung des Sozialstaats aus, um das Entstehen von Niedriglohnsektoren zu ermöglichen. Sozialhilfe sei "Lohn fürs Nichtstun" und erzeuge eine Lohnuntergrenze. Sinn schlägt vor, stattdessen das Einkommen von Niedrigverdienern mit Zuschüssen aufzufetten, statt Lohnersatz zu leisten. Der Staat wäre dann Partner der Arbeitgeber, statt wie bisher mit ihnen in Konkurrenz zu treten.

Wenig hält Sinn von einer Abschaffung von Feiertagen, da 20 bis 30 gestrichen werden müssten, um denselben Effekt einer 10-prozentigen Arbeitszeitverlängerung zu erzeugen. Feiertage abzuschaffen sei zudem auch schwer durchsetzbar, während die Wochenarbeitszeit "ohne Probleme" auf 42 Stunden ausgeweitet werden könne: "Das ist zumutbar."

"Fortsetzung des Siechtums droht"

Anderenfalls drohe insbesondere in Deutschland eine "Fortsetzung des Siechtums, das schon seit 1995 anhält", so Sinn weiter. In diesem Zeitraum sei Deutschland beim Wachstum zum Schlusslicht in Europa zurückgefallen. Österreich habe sich zwar in den 90er-Jahren besser entwickelt und Deutschland beim Pro-Kopf-Einkommen überholt, die Lohnkosten in der Industrie seien aber mit rund 21 Euro pro Stunde - Deutschland liegt demnach bei 27 Euro - zu hoch. "Wir sind zu teuer", sagte Sinn.

Darin sieht der ifo-Chef auch die Ursache für das trotz Exporterfolgen schwache Wachstum, während die Weltwirtschaft boome wie seit 28 Jahren nicht mehr. "Die Exportstärke bleibt ein singuläres Ereignis", prognostiziert Sinn, zumal die inländische Wertschöpfung wegen höherer Vorleistungen aus dem Ausland langsamer steige als die Exporte. Zudem hält er den Anstieg des US-Leistungsbilanzdefizits auf einen Rekordwert von 5 Prozent des BIP langfristig für unhaltbar: "Dieses Ungleichgewicht kann die Welt nicht ertragen." Sobald das US-Defizit zurückgefahren werde, würden auch die Überschüsse anderer Länder wie Deutschland sinken.

Etwas Druck von Europas Volkswirtschaften könnte eine Aufwertung der "zu billigen" asiatischen Währungen nehmen, die künstlich stabil zum Dollar gehalten würden. "Das wäre schon gut", meint Sinn.(APA)