Das Trubeljahr 2005 hat schon begonnen - am Montag, mit der Präsentation der diesbezüglichen Aktivitäten. Die pompöse Inszenierung dieses an sich bedeutungslosen Events lässt Schlimmes befürchten, die rhetorischen Aufwärmübungen des Bundeskanzlers bei dieser Gelegenheit noch Schlimmeres erwarten. "Wer 2005 wie die Zweite Republik 60 wird, der darf auf ein Zeitalter des Friedens und des Wohlstands zurückblicken", versprach er schon jetzt, dass regierungsamtliche Ablenkung von der Gegenwart nicht zu kurz kommen wird.

Sehr bedeutend war auch sein Satz: "Wir sind heute als Nation nicht mehr diejenigen, die wir vor 60 Jahren waren. Vieles hat sich geändert." Das gilt ungefähr für sämtliche Nationen Europas, daher umso mehr: Hut ab vor so viel staatsmännischer Weisheit! Da darf er schon einen Wunsch äußern. Er wünscht sich einen "breiten, bunten, faszinierenden, neugierstillenden und zugleich neugiererweckenden Blick auf Österreich". Und damit nichts schief geht, behält er sich die Festlegung der Blickrichtung vor.

Unnötig, die Kritik an Details des Programms vorwegzunehmen. Da ist man ja flexibel. Vor einem Jahr war einer Regierung auf den Spuren des Nulldefizits die große Schau zum Jubiläum des Staatsvertrages noch zu teuer und daher verzichtbar. Erst als Hannes Androsch eine private Initiative setzte, dachte man um. Gut, wenn das Regierungsmotto "Mehr privat, weniger Staat" auch zum runden Staatsjubiläum darauf hinweist, in welche Richtung sich das Land mausert.

Man wird es einem Bundeskanzler schwerlich verübeln können, dass er in einem Vorwahljahr die Gelegenheit gründlich wahrnimmt, den von seiner Politik Betroffenen patriotischen Sand kübelweise in die Augen zu streuen - der Politiker, der an seiner Stelle anders handeln würde, werfe den ersten Stein. Bisher hat noch kein Vertreter unserer glorreichen Opposition einen Wurf riskiert.

Dabei gäbe es zum Rausch dieses Gedankenjahres einiges anzumerken, was den vom Kanzler geforderten "neugiererweckenden Blick" beleben könnte. Zum Beispiel die Tatsache, dass er dieses Jubiläum in enger Umarmung mit einer Partei feiern wird, die weder in der Befreiung vom Nationalsozialismus einen Grund zum Feiern sieht, noch in der Mitgliedschaft Österreichs bei der EU. Da war sie auch dagegen.

Für diese Umarmung hat sich der Kanzler bekanntlich ins Amt gelogen, was in der Zweiten Republik eine Premiere darstellt - leider ungefeiert, weil fünfjährige Jubiläen als "Übermarketing" kontraproduktiv wirken könnten. Der Zweck, damit das rote Gesindel auszuschalten, heiligte schon in der Ersten Republik jene Mittel, aus deren Anwendung der Volkspartei ein Säulenheiliger erwuchs, dessen Verehrung das große Jubiläum ebenso überdauern wird wie sein Beispiel beim Zurückstutzen lästigen Wildwuchses an Sozialpartnerschaft. Aktuell siehe AK-Umlage.

Wie es bisher aussieht, wird 2005 ein als Gedankenjahr inszeniertes Propagandajahr werden, in dessen Verlauf den Ausgeschlossenen von Schüssels Gnaden die Wahl offen gelassen wird, ob sie als Nestbeschmutzer oder als Regierungsstatisten mitwirken wollen. Für die Volkspartei ist es ein doppelter Anlass zum Feiern: Nicht nur jede Menge Wahlkampfauftritte auf Regimentsunkosten; im Nebel eines aufgeheizten Event-Patriotismus sollen die Bürger auch die Folgen der Regierungspolitik aus den Augen verlieren.

Wenn sich vor allem die Sozialdemokraten als Mitbegründer dieser Republik, aber auch die Grünen, mit dieser Strategie abfinden und ein Jahr lang aus der zweiten und dritten Reihe nur säuerlich zuschauen, wie sich die Koalitionsparteien zur Verkörperung österreichischer Identität stilisieren, ist ihr Wahlslogan für 2006 schon fix: Startklar für Schwamm drüber. (DER STANDARD, Print, 12.11.2004)