Am Eingang zum Spital winkt Yassir Arafat lächelnd den Zaungästen zu - von einem Schwarz-Weiß-Foto aus besseren Tagen, das sich nun im Nieselregen verzieht. Es ist Dienstagmorgen in der Pariser Vorstadt Clamart, und die hingelegten Blumen entlang der Krankenhausmauer wirken wie Trauersträuße.

Keine Spur von den zahlreichen Arafat-Sympathisanten, die von den Fernsehstationen bei der "Krankenwache" gezeigt werden, seitdem der 75-jährige Palästinenser in das Militärspital Percy eingeliefert wurde. "Die kommen erst gegen 19 Uhr", weiß ein Kameramann von France Télévision. Also, wenn die TV-Sender über ihre säuberlich aufgereihten Satellitenschüsseln Liveschaltungen vornehmen. Die Journalisten schauen nur kurz auf, als sich zwei Frauen mit Kopftüchern auf der anderen Straßenseite - der mit den Palästinenserflaggen - zu schaffen machen. Die zwei Französinnen kommen seit Freitag jeden Morgen vorbei, um in dem improvisierten Arafat-Sanktuarium auf dem Trottoir neue Kerzen aufzustellen, Palästinenserflaggen zu befestigen und ein paar Kartoninschriften zu richten: "Ein Widerstandskämpfer stirbt niemals", heißt es unter einem Porträt Arafats.

Sympathisierende Rabbis

"Shalom" ruft eine der Französinnen vier Rabbinern zu, "Shalom, how are you?", rufen sie zurück. Dann stellen sich die vier Orthodoxen vor das Spitalportal und lassen sich ablichten, während sie für Arafat Mahnwache halten. Die Journalisten sind an das skurrile Quartett bereits gewohnt. Trotzdem die Frage, was der Zweck seiner Anwesenheit sei. "Solidarität und Sympathie mit den arabischen, palästinensischen und muslimischen Brüdern und Schwestern", erklärt Moishe Arye Friedman, Oberrabbiner der orthodoxen antizionistischen Gemeinde Wiens, derzeit mit einem Palästinenser-Sticker am Aufschlag. Seine Gemeinde sei für die Sache der Palästinenser und gegen die "nationalistische und faschistische" Politik Sharons im Speziellen, gegen einen Staat Israel im Allgemeinen. Israel sei eine spirituelle Kreation Gottes und könne nicht von Menschen geschaffen werden.

Bald darauf fährt ein Konvoi schwarzer Limousinen vor. Nein, es sind keine Leichenwagen; eine Agenturjournalistin will vielmehr den Kahlschädel des palästinensischen Premiers Ahmed Korei ausgemacht haben. Koma hin oder her: die "Autorité Paléstinienne", wie Arafats Behörde im französischen Diplomatenjargon heißt, muss ihre Autorität unter Beweis stellen, nachdem ihnen Arafats streitbare Frau Suha Besuchsverbot erteilen wollte.

Hunderte von Kameraobjektiven sind auf die Spitalfassade gerichtet, aber es lässt sich nur erahnen, was sich dahinter zwischen Koreis Equipe und Suha abspielt, nachdem Letztere den Ersteren vorwarf, sie wollten ihren Gatten "lebendig begraben". Draußen zirkulierten unter der Pressezunft Meldungen aus Palästinenserkreisen, Arafats Ableben sei "eine Sache von Stunden". Dann macht das Gerücht die Runde, er sei bereits tot. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2004)