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Nach der Wahl sind die USA gleich im doppelten Sinne gespalten: im Land selbst, wo die überwiegend demokratischen Küstenregionen dem konservativen Inneramerika gegenüberstehen; und nach außen, wo George W. Bushs Sieg einer Absage an eine Weltöffentlichkeit gleichkommt, die ihn fast einstimmig ablehnt.

Freundlicher "Empfang" an den Börsen

Aus Sicht der Aktienmärkte jedoch hätte der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen wohl kaum günstiger ausfallen können: Zum einen gewann mit Bush Wallstreets erklärter Favorit. Zum anderen war diesmal schon nach kurzer Zeit klar, wer gesiegt hat. Der zuvor befürchtete, die Märkte lähmende mehrwöchige juristische Streit um Amerikas höchstes politisches Amt blieb der Weltöffentlichkeit diesmal erspart. Schon am nächsten Tag besann sich Wallstreet alter Hausse-Qualitäten, mit ansehnlichen Kursgewinnen auf breiter Front.

Doch wird man auch noch in wenigen Wochen vom Bush-Rally sprechen? Oder handelt es sich nur um ein Strohfeuer? Eines ist klar: Soll der Börsenaufschwung auf solider Basis weitergehen, müssen die wichtigsten fundamentalen Faktoren "stimmen" – Wirtschaftswachstum, Unternehmensgewinne, Zinsen und der Trend des Ölpreises. In dieser Hinsicht präsentiert sich die Lage eigentlich nicht so schlecht, doch besteht immer größere Sorge in Bezug auf den weiteren Werde- und damit wohl Niedergang der amerikanischen Währung.

Historisches...

Schenkt man historischen Daten Glauben, könnte ein Wahlsieg von Bush an der Börse zumindest kurzfristig für weiteren Aufwind sorgen. Die European Business School hat analysiert, wie sich der Dow Jones-Index bisher im Zeitraum zwischen dem Wahltag und dem Ende des Wahljahres entwickelt hat. Folgte ein Republikaner einem Republikaner ins Weiße Haus, verbuchte der Dow Jones bis zum Jahresende im Durchschnitt ein Plus von 7,6 Prozent. Folgte dagegen ein Demokrat einem Republikaner, gewann der Index durchschnittlich 0,3 Prozent. Beschränkt man sich allerdings auf die Ergebnisse nach dem zweiten Weltkrieg, hat die Börse einem Republikaner, der einem Parteigenossen ins Amt folgte, nur einen Wertzuwachs von 1,5 Prozent spendiert. Folgte dagegen ein Demokrat einem Republikaner, gewann der Dow Jones 2,2 Prozent.

...und Zukünftiges

Mit einem Mandat für weitere vier Jahre und einer noch solideren Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus kann Bush die zweite Amtszeit in Angriff nehmen. Um die Aufgaben, die zu lösen sind, ist er wahrlich nicht zu beneiden. Doch bekanntlich sind Ökonomen geborene Optimisten, und Amerikaner sowieso. Aber nach der Wiederwahl von George Bush nützt das wenig. Zu vieles liegt in der US-Wirtschaft im Argen.

Präsident Bush steht vor enormen Problemen. Das Staatsdefizit wächst ungebrochen. Die Ersparnisse der privaten Haushalte sind aufgezehrt. Die Sparquote ist tiefer denn je. Bis anhin haben ausländische Investoren das Kapital zur Verfügung gestellt, mit dem die Amerikaner ihre öffentlichen Leistungen und den privaten Konsum auf Pump finanzierten. Als Ergebnis erreicht das Leistungsbilanzdefizit neue Rekorde – rund 600 Milliarden US-Dollar oder etwa 5,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Was aber, wenn der Rest der Welt das Vertrauen in den ungebrochenen Produktivitätsfortschritt verliert und nur noch gegen höhere Risikoprämien ihr Geld in die USA bringt? Was, wenn das Leistungsbilanzdefizit nicht mehr durch Kapitalimporte, sondern durch Güterexporte finanziert werden muss?

Problembereich US-Dollar

Dann wird sich der Dollar weiter abwerten müssen. Das wiederum wird die Importpreise in die Höhe treiben – was für die Leistungsbilanz gut, für die Inflation in den USA aber schlecht ist. Sie wird erst recht nach oben schnellen – was sie der gestiegenen Ölpreise und der guten Konjunktur wegen bereits seit längerer Zeit tut. Spätestens dann wird die Fed die Zinsen weiter erhöhen müssen. Was geschieht dann mit den privaten, teils hoch verschuldeten Haushalten? Wenn die Hypothekarzinsen und die Leasingkosten höher, die Kleinkredite teuerer werden, könnte bald eine Immobilienblase platzen und eine Lawine privater Konkurse ins Rollen kommen. Dann verlöre die US-Konjunktur ihr wichtigstes Zugpferd, die Masse der Konsumenten, die bis jetzt selbst dann gekauft und verbraucht haben, wenn andernorts längstens Vorsorge getroffen und gespart wurde.

Moderate Erwartungen

Aktieninvestoren sollten ihre Erwartungen dementsprechend nicht zu hoch setzen. Das erste Amtsjahr eines Präsidentenzyklus liefert im historischen Vergleich in der Regel bescheidene Gewinne – siehe Tabelle – an den Börsen. Wie dem auch sei – der alles dominierende Wahlkampf ist vorbei, nun können sich Investoren wieder auf grundlegende Faktoren wie das Gewinnwachstum der Unternehmen und das Bewertungsniveau der Märkte konzentrieren. Zumindest der zweite Faktor liefert Argumente für einen Kauf: Der S&P-500-Index ist für die erwarteten Gewinne 2005 mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17 im historischen Vergleich vernünftig bewertet, und eindeutig attraktiver als die "Konkurrenz" von der Anleihen-Front. Doch nicht zuletzt der Bush-Faktor hat in den letzten Monaten dafür gesorgt, dass Börsianer wie Weltöffentlichkeit sehr zurückhaltend agieren – und daran wird sich wohl nicht so bald etwas Entscheidendes ändern!