Frankfurt/München - Mit der Nachfolge des palästinensischen Präsidenten Yasser Arafat beschäftigen sich am Montag zahlreiche Pressekommentatoren:Financial Times Deutschland

"Verdankt das palästinensische Volk nicht beinahe alles Arafat? Eine demokratische Entwicklung ist also unter solchen Umständen nicht möglich. Der politische Wettbewerb hat angesichts dieser Sonderstellung keinen Platz. Das 'System Arafat' funktionierte nach Regeln, die an monarchische Strukturen erinnern. Vier Jahrzehnte lang dominierte er auf palästinensischer Seite die Bühne. Der Kampf ist über Jahrzehnte mit dem PLO-Chef praktisch identisch gewesen. Tatsächlich hat er dabei viel erreicht. (...) Er schuf eine nationale Identität. Dann bombte er die Sache der Palästinenser ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit. (...) Der übrigen politischen Führung wird es erheblich schwerer fallen, schmerzliche Kompromisse in der Bevölkerung durchzusetzen. Der Übergang einer mehr oder minder kopflosen Spitze wird heikel, denn die Angst vor einem von Gewalt und Chaos begleiteten Machtkampf ist berechtigt."

Süddeutsche Zeitung

"Die Regelung der Machtverteilung nach Arafats Tod wird dadurch kompliziert, dass Israel den von vielen als natürlichen Nachfolger angesehenen Marwan Barguti zu lebenslanger Haft verurteilt hat. Barguti war Führer von Arafats Fatah-Gruppe im Westjordanland und hatte sich aktiv an der zweiten Intifada beteiligt, die Ende September 2000 begann. Bis heute hat er viele Anhänger nicht nur in der Fatah, sondern auch unter den Palästinensern. Barguti hat sich stets für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen."

Stuttgarter Zeitung

"Jeder, der Arafat nachfolgen will, wird die kaum zu durchschauende Struktur der palästinensischen Politik und ihre in sich verwobenen Institutionen aufbrechen und neu organisieren müssen. Aber es ist kein potenter Nachfolger in Sicht. Nicht einer der Männer, deren Namen immer wieder genannt werden, besitzt die politische Statur, die unzähligen Fäden aufzunehmen und die Macht in seinen Händen zu bündeln. Und keiner von diesen Politikern ist in der Lage, die Frage zu beantworten: Was kommt nach Arafat? (...) Zwar schwand seine Macht zuletzt dramatisch, doch ist selbst der Sterbenskranke die Integrationsfigur, die eine Explosion der Gewalt im Nahen Osten verhindert. Eines der Horrorszenarien ist deshalb, dass die verschiedenen Terrororganisationen nach dem Tod Arafats kein Halten mehr kennen und die Region in eine Vorhölle verwandeln."

Handelsblatt, Düsseldorf "Die neue Palästinenserführung will die radikalen Islamistengruppen an der Macht beteiligen und strebt mit ihnen einen Waffenstillstand an. Damit will sie einen befürchteten Gewaltausbruch nach dem Ableben von Arafat verhindern. (...) Das Verhalten der Hamas wird weitgehend darüber entscheiden, ob der Übergang friedlich oder blutig sein wird. Die Hamas, die in den vergangenen Jahren für zahlreiche Terroranschläge verantwortlich war, hat einem Waffenstillstand noch nicht zugestimmt. Es ist aber klar, dass die Hamas dafür einen politischen Preis verlangen würde. Sollte die Hamas Regierungsverantwortung übernehmen, wären der palästinensischen Führung bei Friedensverhandlungen mit Israel die Hände gebunden." (APA/dpa)