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Wenn Carson McWhirter auf seiner Bassgitarre ein "A" anstimmt,

dann kann es vorkommen, dass sich der Musiker dabei fühlt, als trüge er gerade eine Laserkanone am Gürtel, kämpfe gegen Vampire oder rette gar die Welt. Carson McWhirter spielt in der amerikanischen Rockband The Advantage, die keine eigenen Stücke komponiert, sondern die Musikmotive von Videospielen wie "Super Mario Brothers" oder "Castlevania" aus der Konsole auf reale Instrumente überträgt. Ihre Stücke heißen "Megaman 2, Bubbleman-Level" oder "Double Dragon, Egypt." Die Videospiel-Cover-Band hat an der US-Westküste einigen Erfolg und sogar schon eine CD herausgebracht, denn das "vertraute Piepsen und Fiepen weckt bei den Leuten nostalgische Erinnerungen", wie Carson McWhirter meint, "es hat sich in unser Hirn eingebrannt".

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Die Songs von "The Advantage"

sind ein Echo aus der Vergangenheit, aus der Anfangszeit der Videospiele, als münzgroße Bildbauteile über den Bildschirm flitzten und ungelenke Töne die Spieler zu immer neuen Highscores anfeuerten. Wie etwa bei "Space Invader", bei dem mit zunehmender Spieldauer die Musik einfach immer schneller wurde.

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Doch mehr und mehr wird

das bunte und funkelnde Medium - die Hypnose für die Augen - auch für die Ohren interessant: Das Videospiel wird zum Audiospiel. Statt 8-Bit-Chips (Nintendo, 1985) stehen den Programmierer heute 5.1-Dolby-Digital-Prozessoren (Xbox, 2002) zur Verfügung. "Musik soll den emotionalen Kick für die Spieler maximieren", sagt etwa Steve Schnur, Leiter der Musikabteilung beim Branchenführer Electronic Arts. Und vielleicht gilt für das Videospiel die gleiche Regel, welche der amerikanische Regisseur James Cameron (im Bild) einmal für den Film festgestellt hatte: "90 Prozent der Wirkung macht die Musik."

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"Musik steigert die Intensität des Spielerlebnisses ganz erheblich"

, sagt Mijk van Dijk, Elektromusiker aus Berlin, der unter anderem am Soundtrack für die legendäre "Ridge Racer"-Reihe mitgearbeitet hat. Zur Spielvertonung stehen den Produzenten heute komplette Orchester und die Macht des digitalen Mischpults zur Verfügung.

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So begleiten den Spieler

bei "Max Payne", einer melancholischen Film-noir-Ballerei in den dunklen Straßen von New York, schwermütige Geigen- und Celloklänge in den Untergang.

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Und auch beim Xbox-Hit

"Halo" ist die Musik elegant in das Spielgeschehen implementiert. Dramatische Töne treiben den Puls während Actionsequenzen in die Höhe, Begegnungen mit außerirdischen Artefakten werden von würdevollen Chören untermalt. "Die wenigsten Menschen werden sich ein Spiel kaufen, weil die Musik so klasse ist", meint van Dijk, "aber in Japan zum Beispiel ist eine gesonderte Soundtrack-CD zu den Spielen längst Standard."

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Videospiele sind Pop

und verhalten sich nach dessen Regeln. Ähnlich wie Filmsoundtracks, die seit den 80ern in zunehmendem Maße aus Musikstücken populärer Künstler kompiliert werden, statt aus eigens komponierten Melodien, featuren nun auch immer mehr Videospiele die aktuellen Songs von Pop-, Rock und Elektrogrößen. Zwar stammt ein Großteil der Songs laut EA-Musikchef Steve Schnur "von unbekannten und frischen Bands", doch ist man sich des Cross-Marketing-Potenzials zwischen Videospiel- und Musikindustrie durchaus bewusst.

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Electronic Arts etwa brachte vor einigen Monaten

Electronic Arts etwa brachte vor einigen Monaten das Spiel "Def Jam: Fight for New York" heraus, bei dem man die HipHop-Stars des populären Defjam-Labels per Joypad steuern und verhauen konnte. "Diese Zusammenarbeit zwischen Plattenlabel und Entwicklerstudios hat Zukunft", meint zumindest Schnur, "in diesem Spiel haben wir Look, Spirit und Musik der Defjam-Marke komplett eingefangen." Die Annäherung von Musik- und Videospielindustrie spiegelt sich auch in den Geräten selbst. Moderne Konsolen sind mit Festplatte, CD-Player und Internetzugang ausgestattet, können Musik abspielen, speichern und downloaden und haben Fernseher und Stereoanlage als Unterhaltungskern des Wohnzimmers abgelöst. Videospiele der Pioniergeneration wie etwa "Space Invaders" oder "Mario Brothers", hatten nur wenige Musikmotive, die sich im Spielverlauf gnadenlos wiederholten, wie ein endloser Loop, eine Platte, die hängen geblieben ist.

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Videospieler der Gegenwart hingegen

Videospieler der Gegenwart hingegen haben beinahe unbegrenzte Möglichkeiten. Einen großen Teil des Vergnügens bei der GrandTheftAuto-Reihe machte das ziellose Cruisen im Cadillac über die Cyber-Highways aus, wobei der Spieler am virtuellen Autoradio drehen und zwischen verschiedenen Radiosendern und Musikstilen, zwischen Michael Jackson und AC/DC wählen konnte. Zunehmend kann sich der Spieler seinen eigenen Soundtrack zusammenstellen - kann die Audiospur auch ganz ausstellen und sich die eigene Lieblingsmusik ins Spiel hereinladen.

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"Die Spielmusik sollte genauso interaktiv sein

wie das Spiel selbst", meint Steve Schnur. Bei Electronic Arts hat man hierfür die so genannte Pathfinder-Technologie entwickelt, "welche die Musik mit dem individuellen Gameplay synchronisieren soll" - eingesetzt zum Beispiel beim Snowboardspiel "SSX". Während der Tiefschneeabfahrt erklingen sanfte Beats und weiche Streicher, ein Tusch beim Doppelsalto und Posaunen bei der Zielankunft. Das Spielen, das Tippen auf den Joystick-Knöpfen wird so zum Komponieren, und die Musik vom Nebenaspekt zum eigentlichen Thema des Spiels.

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Für die Playstation

ist seit einigen Monaten das Spiel "Singstar" erhältlich, eine virtuelle Karaoke-Maschine, das mit einem Mikrofon statt Joystick geliefert wird. Der Spieler-Musiker kann aus 30 Liedern auswählen und dem Computer ein Ständchen bringen - der CPU beurteilt dann grausam objektiv Stimme und Intonation.

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Anfang November kommt die DJ-Simulation

Anfang November kommt die DJ-Simulation "Decks&FX" auf den deutschsprachigen Markt, bei der der Spieler aus 100 Musikstücken ein DJ-Set zusammenstellen, Musik mischen und mit Beats und Effekten unterlegen kann. Mit den so genannten "Music Games" hoffen die Hersteller, neue Kundenschichten zu erobern.

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Sicher wird der Performancecharakter

des Videospielens durch den Musiktrend verstärkt, das manische Tippen auf dem Joypad bezieht sich nicht nur auf Monster auf dem Bildschirm, sondern auch auf Zuhörer in der Realität. Videospielen wird zum Konzert für Freunde. "Allzu hoch sollte man die Erwartungen an die Musiksimulationen aber nicht schrauben", meint zumindest der reale DJ van Dijk, "es ist noch keiner durch Videospielen zum Rennfahrer geworden. Und auch für gutes DJing braucht es mehr als nur ein bisschen Zocken.(DER STANDARD, RONDO, 22.10.2004)

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