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Foto: Reuters/Nicholson
Das kann selbst den verschwitztesten "NEWS"-Leser nicht mehr überraschen: Pamela Anderson ist - wieder einmal - zurück. Die nackte Silikone hat nichts Neues zu bieten, das ist aber bei dem Silikon-Exhibitionismus , den sie zu bieten hat, für "NEWS" noch immer und immer wieder von beträchtlichem News-Wert. Sie pflegt, wie seit Jahren, ihre Hepatitis C , wie seit Jahren geht es ihr dabei sehr gut , und auch mit einer drohenden Biografie, vor der Hollywood bebt , kann sie in einem Adepten des Fellnerschen Magazinstils nichts mehr zum Beben bringen.

Da traf eine andere Story die Nation wie ein Boxhieb in den Magen: Udo in der Flirt-Falle. Der Frauenfreund als gehörnter Ehemann? Der harte Kern der Information besteht in dem Fragezeichen, denn NEWS deckt die wahren Hintergründe ihrer brisanten Foto-Lovestory auf und sprach mit den Kronzeugen. Aber mehr als müde Indizien hatten die nicht zu bieten. Da konnte Superstar Udo, Jürgens nämlich, noch so allein in Portugal räsonieren: "Die Vorstellung, mein Privatleben in der Öffentlichkeit zu haben, schreckt mich . . ." - wenn es um die Veröffentlichung eines Bildes geht, das Udos Glück zerstören soll, kennt "NEWS" kein Erbarmen.

Schließlich geht es um Menschheitsfragen, etwa um die: Udo & Corinna: Wollte sie sich an ihm rächen? Wenn ja, war es eine Rache, die an Grausamkeit nichts zu wünschen übrig lässt, wahrhaft teuflisch. Das Frühstück. Ronald Schill kommt Corinna bei Kaffee und Lachsbrötchen in der Cottage-Villa des gemeinsamen Freundes Dieter Grassy näher. Und das war nicht irgendein Schill, der da Corinna mit dem Charme des Borderliners anbleckte, wie ein Foto verrät. Ob beim Frühstück, verrät das Foto nicht. Er: Ronald Schill, 46, ehemaliger Rechtsaußen-Politiker und Innensenator der Hansestadt, überregional unter dem Spitznamen "Richter Gnadenlos" geläufig und durch sein erpresserisches Outing von Bürgermeister Ole von Beusts Homosexualität berüchtigt. Und was sagt Dagmar Koller dazu - denn nur ungern verzichtet man im Hause Fellner darauf, eine Geschichte mit dem Senf sei es der Dagi, sei es des Helmut zu würzen -? "Ein netter Flirt."

Das war "NEWS" dann doch etwas zu eindimensional. Die wahren Hintergründe des Polaroid-Komplotts gegen Udo, der zeitgleich nichts ahnend in seinem Feriendomizil an der Algarve frühstückte - womöglich, symbolgeladener Zufall, Kaffee und Lachsbrötchen - sind vielschichtig: Wollte Schill, der gnadenlose Populist und nimmermüde Partytiger, der noch am vergangenen Samstag nach Kuba auswanderte, seinen Abgang aus der sensationsgierigen Alster-Society aus Geltungsbedürfnis mit einem Gesellschaftsskandal garnieren?

Aus Rache wäre schon eher verständlich, denn die Wertschätzung der beiden Frühstücker füreinander war eher einseitig, wie "NEWS" weiß. "Ich finde den Schill bedenklich", sagt Udo heute über jenen Mann, der Corinna vor zwei Jahren bei einem Jürgens-Gig kennen lernte und seither lose mit ihr befreundet ist. Was Schill an Udo findet, werden wir nie erfahren - jetzt wo er nach Kuba ausgewandert ist.

Man kann zu dieser Art der Berichterstattung sagen, was man will, sie ist immer noch informativer als es jene der "Presse" über den Besuch des israelischen Staatspräsidenten Moshe Katzav im Konzentrationslager Mauthausen war: Kein Wort davon in der Donnerstag-Ausgabe des Blattes, für das einst Theodor Herzl schrieb. War das nun Missgeschick oder Rache für Kritik an der "Presse" aus Israel, Ausdruck einer modischen Skepsis gegenüber der Vergangenheits- zugunsten einer Zukunftsbewältigung oder einfach die redaktionelle Umsetzung des Mottos "Ich scheiß' mir nix", mit dem der neue Chefredakteur angetreten ist - wer weiß?

Fast noch auffälliger war das, was "Die Presse" auf Seite 10 stattdessen lieferte: Die Darstellung des Staatsbesuches als Publikumsbelästigung. Planen Sie für heute Abend einen Besuch im Bereich der Akademie der Wissenschaften? Sind Sie morgen, Freitag, am Ballhausplatz unterwegs? Dann sollten Sie einen Ausweis mitnehmen und den Polizisten, die Sie mit Sicherheit aufhalten werden, einen guten Grund für das Passieren der Sperre nennen können. Und wer war wieder einmal schuld? Grund dafür ist der israelische Präsident Moshe Katzav, der seit Dienstag in Wien weilt, was die Leser bereits wussten, weil es in der Mittwoch-Ausgabe nicht gut verschwiegen werden konnte.

War ja auch wirklich lästig. Bereits an den ersten beiden Tagen klagten Innenstadt-Besucher über Behinderungen . Besondere Ungeheuerlichkeit: So wurden Journalisten nicht zum wöchentlichen Pressefoyer nach dem Ministerrat vorgelassen, obwohl sie den vom Innenministerium ausgestellten Ausweis vorwiesen . Dass ein Ausweis des Innenministeriums bei einem Polizisten im Ernstfall wenig bis nichts gilt, ist irgendwie verständlich, aber nicht neu und jedem Journalisten bekannt. Trotzdem nett von der "Presse", die Kollegen wenigstens im Nachhinein davon in Kenntnis zu setzen. Man will ja seiner Informationspflicht nachkommen. (DER STANDARD; Printausgabe, 23./24.10.2004)