Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/etat.at

Am Wochenende ist der "Kurier" fünfzig Jahre alt geworden und hat dieses Ereignis opulent gefeiert. Montag hat er ausgiebig darüber berichtet und man erfuhr viel Interessantes über die Lesegewohnheiten der heimischen Prominenz. Etwa, dass Zeitung gern beim Frühstück gelesen wird, besonders dann, wenn dieses am Wochenende und/oder im Bett stattfindet. Wer hätte das gedacht? Auffällig war auch - bei sonstiger Begeisterung für das Blatt - der Grad an Horoskop-Verweigerung unter dessen bekennenden Konsumenten.

Währungsmäßig beruhigend daran: Unter den Nationalbankern ist die Neigung zur Sterndeuterei besonders gering. Horoskope lassen den Nationalbank-Präsidenten kalt, Herbert Schimetschek, den "schnellen Vielleser", interessieren Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Damit ist er in guter Gesellschaft von Nationalbank-Gouverneur Klaus Liebscher, der nicht nur Vielleser, sondern auch Vielraucher ist, aber astrologisch abstinent: Horoskop? "Nie!" Dass ÖFB-Präsident Friedrich Stickler Horoskope nie liest, hat dem österreichischen Fußball bisher auch nichts geholfen. Vielleicht sollte er sich doch einmal nach dem Aszendenten von Hans Krankl erkundigen.

Einer, dessen Meinung zum Horoskop mindestens ebenso brennend interessiert hätte, blieb im Meer der zitierten oder auch nur angeführten Berühmtheiten verschollen. War er nicht geladen, weil man die Festesfreude nicht trüben wollte, oder fiel er einer selektiven Berichterstattung zum Opfer? Die "Kronen Zeitung" war auf diesem Fest mit viel Harmonie nur von Helmut Zilk und der besseren Hälfte des Blattes vertreten. Vom großen Hundestreichler keine Spur. Dafür ein Foto mit dem Text: WAZ-Boss Erich Schumann führt kurz nach dem Morgengrauen seinen Hund aus, nimmt sich dann eine Tasse Kaffee und liest alle Tageszeitungen.

Ein wenig ungerecht war das schon. Nicht nur, weil der Übervater der KURIER-Leserfamilie, Christian Konrad, in seiner Rede extra auf das Jahr 1988 verwies. Damals stieg die WAZ-Gruppe ein, mit der Kronen-Zeitung wurde die Mediaprint gegründet. Konrad bezeichnete dies als die wesentlichste Voraussetzung dafür, "beiden Tageszeitungen eine sehr solide Basis zu geben." Und der Mitgründer ist in den Anfängen dieses halben Jahrhunderts irgend wann einmal Chefredakteur des "Kurier" gewesen - trotzdem weit und breit kein Hans Dichand, wo ein Stück Österreich feiert.

Der erwies sich als Gentleman. Er zahlte es dem Jubilar nicht mit gleicher Münze heim, und geizte dennoch nicht mit seiner Sicht der Wahrheit. Im Montag-Blatt brachte er unter dem Titel Geburtstags-Festkonzert - ohne Dirigent ein Foto mit dem Text: Im Wiener Konzerthaus feierte der "Kurier" am Sonntag seinen 50. Geburtstag. Aufsichtsrat-Vorsitzender Dr. Christian Konrad (lins) und Herausgeber Peter Rabl (rechts) freuten sich über den Besuch von Bundespräsident Heinz Fischer und dessen Frau. In den fünfziger Jahren hatte der spätere "Krone"-Herausgeber Hans Dichand zusammen mit seinem Freund Hugo Portisch, der gestern als Ehrengast geladen war, den "Kurier" zur größten Zeitung Österreichs gemacht.

Der "Kurier" muss fünfzig Jahre alte werden, auf dass Cato, seine Amfortas-Wunde leckend, sich in bisher nie erreichte Höhen der Subtilität empor schwingt! Eine "Krone" könnte der "Kurier" heute sein, hätte man ihn damals nur nach seiner Fasson arbeiten lassen. Andererseits - wäre Österreich ohne seine "Krone" überhaupt wert, dass es existierte? Immerhin, so weit ging Dichand nicht, auch WAZ-Boss Erich Schumann zu erwähnen, der so wie sein Freund Hugo Portisch bei der Jubelfeier als Ehrengast geladen war. Ohne Dirigent - das bezog sich lediglich darauf, dass die Wiener Philharmoniker ohne einen solchen aufspielten.

Derlei schreiberische Talente sollte man hegen und pflegen und nicht einfach ziehen lassen, so häufig kommen sie in der heimischen Medienszene nicht vor. Und noch rarer, wenn sie genau wissen, was das Wichtigste in dieser Branche ist. Das hat Horst Pirker dem "Kurier" vorgeführt, als er Michael Fleischhacker zum Chefredakteur der "Presse" machte. Der hat nun im Branchenblatt "Extradienst" enthüllt, was man in dieser Funktion braucht: Ich habe mich immer bis an meine körperlichen Leistungsgrenzen eingesetzt. Man sagt mir ein schreiberisches Talent nach. Und: Ich scheiß' mir nix. Das ist, glaube ich, das Wichtigste.

Spätestens jetzt dürfte Andreas Unterberger wissen, worin er das Wichtigste professionell verfehlt hat. Kein Wunder, dass er nie als Jahrhunderttalent gefeiert, sondern als Chefredakteur gefeuert wurde. Und mit seinen körperlichen Leistungsgrenzen hat es womöglich auch nicht hingehauen. Kein Wunder, dass der große Konservativliberale Andreas Mölzer in der Bestellung des Liberalkonservativen Fleischhacker die wenig originelle Anpassung an den spätlinken Zeitgeist erkennt: "Die Presse" rückt nach links. Das ist originell. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.10.2004)