The Black Keys
Rubber Factory
(Fat Possum/Edel)

Foto: Plattencover

R. L. Burnside
A Bothered Mind
(Fat Possum/Edel)

Foto: Plattencover

Blues Explosion
Damage
(Mute/EMI)

Foto: Plattencover

Irgendwann musste es einmal dazu kommen, dass sich mit Blues und HipHop die jüngste und die älteste amerikanische Musikform miteinander auf ernsthafte Weise treffen - abgesehen von Samples knarzender Platten zu platten Haudraufundschluss-Beats und White Trash-Bekenntnissen wie im Falle Everlast und Bubby Sparxxx. Immerhin vergisst man bei aller egozentrischen Weltsicht, bei aller Vertonung eigener Befindlichkeiten, beim Recht auf Party und bei allem sexuellen bis sexistischen Geprotze, die beide Stile kennzeichnen, dass es hier schon auch immer um ein künstlerisches Sprachrohr für gesellschaftlich Ausgegrenzte gegangen ist und noch immer geht.

Dass ausgerechnet The Jon Spencer Blues Explosion aus New York, bei allem heiligen Lärm, der die mittlerweile auch schon ein wenig abgelebten drei weißen Männer Jon Spencer, Judah Bauer und Russell Simins stets auszeichnete, auf ihrem neuen Album mehr denn je in diese Richtung gehen, ist nur eine logische Konsequenz. Mit Gästen wie DJ Shadow, Chuck D von Public Enemy oder dem wiederbelebten Saxophonterroristen James Chance von der New Yorker No Wave-Legende James White & The Blacks aus den späten 70er-Jahren wird hier an einer stimmigen Mischung gearbeitet, die alte Bluesmuster, dreckigen Noiserock und HipHop-Elemente ganz selbstverständlich zusammenführt und sie zu einer hochoktanigen Mischung verbindet. Dazu gibt Jon Spencer den Elvis Presley aus der Hölle. Er macht den Funk. Er lässt neben seiner Schrottgitarre das Theremin kreischen - und überhaupt gibt sich die auf den Namen Blues Explosion mehr denn je als zweckdienliche Arbeitseinheit und weniger als Transportmittel für diverse Egoismen begreifende Band heute angriffslustig wie nie.

Die Blues Explosion zeichnete 1996 mit dem gemeinsamen Album Ass Pocket Of Whiskey auch für die späte Entdeckung eines aus Holly Springs, im US-Bundesstaat Mississippi stammenden Mannes verantwortlich, der seither immer wieder weg vom traditionellen Storytelling eines John Lee Hooker, Muddy Waters oder Mississippi Fred McDowell hin zu alles andere als aufgesetzt nach billigem Effekt klingenden HipHop-Beats gekommen ist. Mit stolzen 77 Jahren bietet Gitarrist und Sänger R. L. Burnside auf A Bothered Mind mit Scratcher Mike E. Clark oder Multiinstrumentalist Lyrics Born und völlig unerwarteten Gästen wie Redneck-Rocker und White Trash-Rapper Kid Rock die heuer gemeinsam mit Tom Waits und dessen großen Wurf Real Gone modernste Bluesplatte seit ewigen Zeiten. Mächtig rollende Boogie-Beats, schneidige Slide-Gitarren, hämmerndes E-Piano, darüber Burnsides souverän brummende Stimme: Dieses Album erinnert daran, dass Blues auch immer eines war: wilde und wüste und dunkel fordernde Tanzmusik, die heute möglicherweise unter den Jugendschutz fallen würde: "I'd be fine, if I could stay away from family."

Auch das junge weiße Duo The Black Keys aus der heruntergewirtschafteten Industriestadt Akron, Ohio, forciert auf seinem zweiten Album Rubber Factory neben der gewohnten, im Lo-Fi-Sound unternommenen Zertrümmerung steinalter Blues-Riffs eine zarte Annäherung an modernere Stile. In ihrem Fall bedeutet das nicht nur, dass hier Songs teilweise klingen wie alte Demoaufnahmen der Beastie Boys, wenn diese bedingt durch Rauchwaren einmal einen unhysterischen Tag gehabt hätten und sich an alten Rhythm'n'Blues-Nummern aus den 50er-Jahren versucht hätten.

Dazu gesellen sich noch Powerrock-Akkorde aus einer schlimmen Zeit. Stichwort: Grand Funk Railroad. Allerdings muss auch angeführt werden, dass The Black Keys als jüngste der hier vertretenen Künstler die mit Abstand am traditionellsten arbeitenden sind. Womit eine schöne alte Weltbeobachtung wieder einmal bestätigt wird: Alter schützt vor Torheit nicht. (Christian Schachinger, DER STANDARD, RONDO, Printausgabe vom 15.10.2004)