Das Ministerium müsste seine Ideen nur besser kommunizieren - wie wär's mit: "Endlich ein Semester zum Partyfeiern!"?

Anfang letzter Woche hatte man den Eindruck, es gebe Hoffnung für die angeschlagene Akademikerquote Österreichs. Zum einen hat Marianne Trattnig mit aktiven 75 Jahren ihren Doktor gemacht, zum anderen wurde Astrid Hartmann mit frühreifen 19 Magistra der Rechtswissenschaften. Doch seit dem Stopp der Betreuung von Diplomanden am Wiener Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften wurde uns wieder ins Gedächtnis gerufen: Was gestern noch galt, wird heute nur mehr sentimental belächelt.

Auch wenn die von der Bildungsministerin im vergangenen Jahr beschworenen Bilder von der heilen Universität heuer getrost vergessen werden können, sind Maßnahmen wie diese aber auch förderlich – dem resignativen Zynismus unter den Studierenden.

Mit der Aussetzung der Betreuung von Diplomanden in diesem Semester verweisen die Professoren – von denen einzelne bereits über 100 Diplomarbeiten begleiten – ein weiteres Mal auf die untragbaren Zustände am Institut: Akuter Personalmangel, Geldknappheit und räumliche Beengtheit bringen Forschung, Lehre und Studium an den Rand des Kollaps. Und die Diplomanden des kommenden Semesters sind über dieses Stadium nun schon hinaus.

Kognitive Dissonanz wird in der Psychologie ein Zustand innerer Spannung genannt, den der oder die Betroffene aufzuheben versucht, um wieder eins mit der Welt zu sein. In diesem Sinne drei Anregungen für unsere Kollegen zwecks Wiederherstellung der gewohnt stoischen Gemütsruhe der Geisteswissenschafter.

Erstens: Zeit. Diese zur Dimension ernannte Cäsiumschwingung übt unsäglichen Terror aus. Es ist doch wohl – verglichen mit den wirklich wichtigen Aspekten der menschlichen Existenz – völlig gleichgültig, ob man ein Semester früher oder später mit dem Studium fertig wird. Schließlich ist Studiengeschwindigkeit kein Indikator für Qualität, und Langzeitstudenten erfreuen sich großer gesellschaftlicher Akzeptanz.

Anleihe ist bei den alten Griechen zu nehmen und deren Unterscheidung zwischen chronologischer und subjektiv wahrgenommener Zeit (chronos und kairos): Eine Minute auf glühenden Kohlen verbracht kann eine schmerzhafte Ewigkeit sein, eine Filmminute guter Unterhaltung hingegen vergeht "im Nu". Also erfreue dich an jedem Augenblick des vorüberziehenden Semesters, und schon sind die paar Monate der Zwangspause um.

Protestieren oder resignieren?

Zweitens: Erkenntnistheorie, Stichwort Solipsismus: Vertreter dieser extrem subjektivistischen Weltsicht erkennen jeweils nur die seelische Verfasstheit des eigenen Ich als real an, alles andere sei bloß – um mit Nestroy zu sprechen – "Schimäre". Ergo: Mache deine Sinne resistent gegen offizielle Versprechungen und konstruiere dir deinen eigenen Diplomarbeitsbetreuer.

Das kann getrost ein "habilitierter Publizist aus dem In- und Ausland" sein, der deinen Ausführungen gebannt lauscht und dir profundes Feedback erteilt. Freue dich allerdings nicht zu früh – auch dieser könnte nur ein Produkt deines Geistes sein!

Drittens: Die Regierung leistet immer ausgezeichnete Arbeit; lediglich mit der Kommunikation hapert es gelegentlich – wie die Sache mit den Diplomarbeiten ja anschaulich belegt: Da wird, dank weitsichtiger und effizienter Bildungspolitik, einigen Studenten ein halbes Jahr Freizeit zum lächerlichen Preis der Studiengebühr ermöglicht, und schon bekommen das viele in die falsche Kehle. Weil eben nicht sauber kommuniziert wird. Richtig müsste es heißen: Endlich ein Semester zum Party machen! (Oder waren es Kinder?) Also: Lasset euren Trieben freien Lauf, feiert die Regierung und seid beim Danke sagen bloß nicht zu leise.

Sollte man nicht doch Professor Langenbuchers Aufruf zu Protestmaßnahmen folgen? Andererseits und einmal ganz ehrlich gefragt: Wozu? Nach Jahren, in denen unsere habilitierten Kollegen den Regierenden wurscht waren, unsere Proteste mangels Lobby scheiterten und jeder Hilferuf des Institutes gar nicht oder zynisch kommentiert wurde, ist das zwar ein unter sentimentalen Gesichtspunkten nachvollziehbarer Aufruf, allerdings nur ein weiterer, der verhallen wird. Ein Gespenst geht um an der Universität – die Resignation. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.10.2004)