Den Kritikern des kräftig steigenden Budgetdefizits hält Finanzminister Karl-Heinz Grasser neuerdings gerne die ebenso kräftig sinkende Abgabenquote entgegen. Konkret soll sie vom Spitzenwert im Jahr 2001 von damals 44,8 Prozent bis 2006 auf 40,6 Prozent sinken. Grassers Schlussfolgerung: ,"Diese Bundesregierung senkt die Steuern so stark wie noch nie in den letzten fünf Jahrzehnten, mehr als vier Prozentpunkte in nur sechs Jahren."

Bei näherer Betrachtung entpuppt sich die kräftig sinkende Abgabenquote aber als eine Art neuer Marketingschmäh von KHG. Denn die anlässlich des Nulldefizits zu Prominenz gelangte Quote – sie entspricht rechnerisch der Summe aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) – sinkt bis 2006 nämlich gewissermaßen automatisch.

Berechnungsvorschriften für BIP revidiert

Bisher galt: Bis ins Jahr 2006 wollte die Bundesregierung die Abgabenquote auf 43 Prozent absenken. Im Jahr 2010 sollte der Zielwert von 40 Prozent erreicht sein. Zwischenzeitlich hat aber Eurostat, das Statistikamt der EU, die Berechnungsvorschriften für das Bruttoinlandsprodukt dahingehend revidiert, dass nun die Wertschöpfung der Banken stärker als zuvor berücksichtigt wird (konkret die Gewinnspanne aus Zinsgeschäften).

Steigt daher das Bruttoinlandsprodukt aufgrund dieser Eurostat-Vorschrift an – im Jahr 2005 macht das mehr als zwei Milliarden Euro oder einen Prozentpunkt vom BIP aus –, sinkt die Abgabenquote automatisch, ohne dass sich an den Steuern und Abgaben, die im Zähler der Quote stehen, etwas ändern muss.

Abgabenquote sinkt

Hinzu kommt noch, dass Grasser aufgrund der Steuerreform 2005 und 2006 eine niedrigere Geldsumme eintreibt als 2004. Die simple Logik der Bruchrechnung sagt: Sinkt der Wert der Steuern im Zähler und steigt die Höhe des BIP im Nenner des Bruches, so sinkt das Ergebnis, also die Abgabenquote. Folgerichtig müsste Grasser nur die Bekämpfung des Steuerbetruges einstellen oder überhaupt auf die Steuereintreibung verzichten, und die Abgabenquote würde noch viel stärker sinken.

Budgetexperte Gerhard Lehner bestätigt: "Dieser Effekt einer Abgabenquote von 40,6 Prozent schon im Jahr 2006 ist nicht steuerpolitisch geschafft worden, sondern ein statistischer Effekt. Die Frage ist nun: Wie weit soll man runtergehen? Bisher haben wir immer damit gerechnet, dass in der nächsten Legislaturperiode die Abgabenquote um weitere zwei Prozentpunkt gesenkt werden muss, um das 40-Prozent-Ziel zu schaffen."

Dafür wäre zumindest eine weitere große Steuerreform notwendig gewesen, die im Budget aber aus heutiger Sicht niemals zu verkraften gewesen wäre. Außerdem – auch das verschweigt Grasser – gilt die neue BIP-Berechnung natürlich für alle EU-Staaten. An der relativen Position der österreichischen Abgabenquote im Vergleich zu den EU-Partnern oder gar an der heimischen Wettbewerbsfähigkeit ändert sich daher nichts.(Michael Bachner, Der Standard, Printausgabe, 14.10.2004)