Infografik: Handel mit der Türkei

Grafik: Der Standard
Wien - Mit dem grünen Licht der EU-Kommission für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen hat sich die Türkei endgültig für eine "Konvergenzstory" positioniert. Die Istanbuler Börse hat die Entscheidung vorweggenommen und ist in den vergangenen vier Monaten um rund 25 Prozent gestiegen.

In zwei Jahren, erwartet Fritz Schweiger - Aktienchef der CA-IB in London und einer der Top-5-Broker in Istanbul -, wird sich die Börse verdoppelt haben, denn: "Das Interesse ausländischer Investoren ist enorm."

Direktinvestitionen eher Ausnahme

Bis jetzt sind türkische Aktien hauptsächlich in den Portfolios von so genannten Emerging-Markets-Fonds vertreten, oft auch in Osteuropafonds. Direktinvestitionen sind eher die Ausnahme, aber so Schweiger: "Wir haben zuletzt fünf Prozent der türkischen Garanti-Bank unter ausländischen institutionellen Investoren platziert - das Volumen von 125 Millionen Dollar war in fünf Stunden weg, das sagt wohl alles über die Nachfrage aus."

Derzeit sind die in Istanbul notierten Unternehmen mehrheitlich im Staatsbesitz, der Streubesitz beträgt durchschnittlich nur 15 Prozent. Davon, so Schweiger, seien jedoch 60 Prozent in ausländischen Portfolios.

Mit den Beitrittsverhandlungen und den Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF), der im Gegenzug zu den 19-Milliarden-Dollar-Unterstützungsgeldern Tempo bei Privatisierungen einfordert, werde sich der Streubesitz deutlich erhöhen - und das heißt: Mehr Interesse und mehr Volumen.

75 Milliarden Dollar Kapitalisierung

Mit rund 75 Mrd. Dollar Kapitalisierung (61 Mrd. Euro) ist die türkische Börse etwas größer als die Wiener (54 Mrd. Euro), das durchschnittliche Handelsvolumen ist jedoch fünfmal so hoch. Gestern, Mittwoch, lag es mit rund 500 Mio. Dollar fast zehnmal so hoch.

"Riesiges Potenzial" erwartet sich auch die Wirtschaftskammer. Mit 705 Mio. Euro Exportvolumen 2003 lag der Handelsüberschuss Österreichs bei rund fünf Mio. Euro. Zwar rangiert die Türkei auf der Österreich-Exportliste derzeit nur auf Platz 21.

"Annäherung wird sehr dynamisierend wirken"

Aber schon das Vorjahr brachte 27 Prozent plus, und "die Annäherung wird sehr dynamisierend wirken", glaubt Franz Rößler, Regionalmanager für Südosteuropa in der WKÖ. Das werde auch ein Anspringen der Direktinvestitionen mit sich bringen. Vertreten sind die Österreicher derzeit vorwiegend im Maschinen-und Kraftwerksbau.

Potenzial gebe es aber auch in der Umwelttechnik - durch die Stabilisierung der Wirtschaft mit einer Inflation unter zehn Prozent und mit rund sechs Prozent realem Wachstum pro Jahr bis 2006 dürfte auch der Konsumgüterexport bald anspringen.

Bis jetzt seien heimische Firmen aber in der Bearbeitung der Exportmärkte hauptsächlich auf die zweite Beitrittsrunde - Rumänien, Bulgarien, Kroatien - konzentriert gewesen. (Karin Bauer/DER STANDARD Printausgabe, 07.10.2004)