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Wilfried Seipel

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader
Reaktionen auf den Rechnungshof-Rohbericht, aus dem der STANDARD zitierte - und neue Details zitiert.


Wien - Der Rohbericht des Rechnungshofs zum Kunsthistorischen Museum, aus dem der STANDARD am Dienstag zitierte, wurde auch den Grünen zugespielt. Wolfgang Zinggl, der neue Kultursprecher, gab daher eine eilig einberufene Pressekonferenz - und sprach von Zuständen im Museum, die ihn an "Sodom und Gomorra" erinnern würden: "In der Privatwirtschaft hätte ein solcher Bericht die sofortige Suspendierung des Geschäftsführers zur Folge." Generaldirektor Wilfried Seipel habe zudem gegen mehrere Gesetze (Museumsgesetz, Einkommensteuergesetz, Beamtendienstrecht) verstoßen.

Die Reputation des KHM sei, meint Zinggl, schwer angeschlagen: "Wie lange soll das jetzt so weitergehen?" Er erneuerte den Wunsch der Grünen nach einem Untersuchungsausschuss und forderte von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (VP) eine Sonderprüfung, in der alle Unterlagen offen gelegt werden müssten, die das KHM dem Rechnungshof trotz wiederholten Bittens nicht zur Verfügung stellte: "Wenn jemand etwas verheimlicht, hat das einen Grund." Zudem sollte Generaldirektor Wilfried Seipel, der vom RH massiv kritisiert wird, "von sich aus die Konsequenzen ziehen".

SP-Kultursprecherin Christine Muttonen sprach nach der STANDARD-Lektüre von einem "handfesten Skandal": Seipel sei "rücktrittsreif", er agiere, "als ob das KHM sein Privatbesitz wäre". Die "Spitze dieser Anmaßung" sei "die Ausrichtung der Geburtstagsparty" für Kunststaatssekretär Franz Morak (VP), die "das KHM und damit die Steuerzahler berappt haben".

Kritik übte Muttonen auch an Gehrer: "Noch im Frühsommer hat sie Seipel verteidigt und die Kritik an ihm als 'unqualifizierte kulturpolitische Attacken' bezeichnet. Wenn das ihr Verständnis von einem ordentlichen Umgang mit Steuergeldern ist, dann sitzt sie ebenfalls auf dem falschen Platz." Gegenüber dem Standard kündigt Muttonen mehrere parlamentarische Anfragen an. Sie will unter anderem wissen, von welchem Händler auf Mallorca Seipel 1998 ohne Genehmigung um 3,8 Millionen Dollar eine Sphinx erworben hat und ob die Provenienz der altägyptischen Skulptur geklärt ist.

VP-Kultursprecherin Andrea Wolfmayr hingegen verteidigte Seipel. Sie sprach ihrerseits von "Vorverurteilungen, Skandalisierungen und Kriminalisierungen" seitens der Opposition. "Wenn Fehler passiert sind", könnten Maßnahmen ergriffen werden, allerdings niemals auf Basis eines Rohberichts, sondern erst nach Vorliegen des Endberichts. Es gelte "audiatur et altera pars", so Wolfmayr.

Bildungsministerin Gehrer wollte den Rohbericht, der ihr zugegangen war, gegenüber dem STANDARD nicht kommentieren: Auch sie warte auf den Endbericht, denn es gelte "audiatur et altera pars", so Pressesprecher Roland Zecha.

In diesen werden bekanntlich auch die Stellungnahmen der untersuchten Institution wie des zuständigen Ministeriums eingearbeitet. Sie liegen bereits vor. Gehrer will dennoch nicht, dass auch die andere Seite gehört wird: Zecha sieht sich nicht in der Lage, die Stellungnahme des Ministeriums herauszugeben.

DER STANDARD kann daher weiterhin nur den Rechnungshof zitieren, der eine unglaubliche Fülle an Details beanstandet. Darunter geradezu skurrile: Bedienstete bekamen für jede Stunde Urlaubsanspruch einen ganzen Tag gutgeschrieben - was dazu führte, dass ein Mitarbeiter am 31. Dezember 2002 unglaubliche 592 Tage Resturlaub hatte, ein anderer 512 Tage. Dadurch wurden die Rückstellungen "unrichtig ermittelt" und der Wertansatz in der KHM-Bilanz zu hoch dargestellt.

Sanierungszuschuss

In der Tat brisant hingegen sind Feststellungen des RH im Zusammenhang mit der Museums Collection (MC). Diese Tochtergesellschaft des KHM betreibt u. a. das Lipizzaner- Museum. 2000 löste das KHM den Vertrag mit Walther Hoffmann, seit 1991 Geschäftsführer für die einst teilrechtsfähigen Bereiche, und übernahm zu 100 Prozent die MC, an der bis dahin Hoffmann zu 51 Prozent beteiligt gewesen war. Die Museums Collection war allerdings hoch verschuldet - was jedoch kaschiert wurde:

Das KHM kaufte von der MC "Vermögensgegenstände" in der Höhe von 254.354,92 Euro. "Trotz mehrfacher Urgenzen des RH konnten vom KHM weder die diesbezügliche Rechnung noch andere Unterlagen vorgelegt werden, aus denen ersichtlich gewesen wäre, um welche Gegenstände bzw. Wirtschaftsgüter es sich dabei handelte. Nach Ansicht des RH hat der Kauf die Wirkung eines Sanierungszuschusses. Ohne diese außerordentlichen Erträge bei der MC wäre das negative Geschäftsergebnis der MC für 1999 von rund 173.600 Euro noch höher ausgefallen."

Und auch die Auflösung des Vertrags mit Hoffmann ließ sich das KHM etwas kosten: Es zahlte eine Abfindung von 276.156,77 Euro - freiwillig und ohne Begründung, was der RH bemängelt: Im Managementvertrag aus 1991 war "ausdrücklich vereinbart worden", dass Hoffmann "keine Ansprüche" stellen konnte.

Zur Geschäftsgebarung der Museums Collection erstellte der RH einen eigenen Rohbericht. Er gelangte bisher noch nicht an die Öffentlichkeit.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.10.2004)