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CERN, der "European Council for Nuclear Research", zeigt einen Teilchenbeschleuniger im 27 km langen Tunnel.

Foto: apa/keystone
Wien - An eine "vorsichtige Aufbruchstimmung" bei der Gründung des europäischen Labors für Teilchenphysik CERN bei Genf am Mittwoch vor genau fünfzig Jahren erinnert sich der theoretische Physiker Walter Thirring. "Die europäische Einigung schien damals noch so weit weg und illusorisch, aber die Physiker hatten damals erfasst, dass die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene die einzige Chance war, um mit den USA und der UdSSR zu konkurrieren", so Thirring. Der Österreicher war seit der Gründung des CERN 1954 in verschiedenen Funktionen und Tätigkeiten mitten im Geschehen der europäischen Teilchenphysik und nimmt noch heute als 77-Jähriger ein Mal jährlich am Scientific Policy Committee teil.

Thirring, zur damaligen Zeit Professor an der Universität Bern, gehörte von Anfang an der theoretischen Gruppe des CERN an. Diese war zuerst in Kopenhagen, doch man kam zur Erkenntnis, dass man die Aktivitäten am Gelände des Forschungszentrums bei Genf konzentrieren musste. "Auch wenn Niels Bohr den Abschied aus Kopenhagen sehr bedauert hat, war das die richtige Entscheidung", so Thirring.

Am Anfang gab es nichts vorzuweisen

Die üblicherweise befruchtende Zusammenarbeit zwischen Theoretikern und Experimentalphysikern sei am Anfang noch nicht so toll gewesen, schließlich hatten die Praktiker mangels Maschinen noch nichts vorzuweisen. Das änderte sich allerdings mit den ersten Beschleunigern schnell. Und auch die Theoretiker setzten große Erwartungen in die Experimente, "schließlich stand unsere Theorie auf so wackeligen Beinen".

Selbst große Leute wie Werner Heisenberg hätten ganz falsche Erwartungen gehabt. So habe dieser prognostiziert, dass die Physik bei zehn hoch minus 13 Zentimetern aufhöre, weil man kleinere Distanzen nicht auflösen könne. "In Wirklichkeit war das nicht das Ende, sondern erst der Anfang." Mit der Zeit sei dann aber ein sportlicher Wettkampf zwischen Theoretikern und Experimentatoren entstanden, etwa bei der Berechnung bzw. Messung des magnetischen Moments von My-Mesonen und von Elektronen, der zu immer besseren Ergebnissen geführt habe.

1959 ging Thirring wieder zurück nach Österreich und war dann einige Jahre Vertreter Österreichs im CERN-Council. Von 1968 bis 1971 war er schließlich Direktor der theoretischen Abteilung im Forschungslaboratorium. Das Quark-Modell, das damals aufgestellt wurde, sei der Grund dafür gewesen, dass er 1971 aus dieser Funktion wieder ausschied. "Dieses Modell wurde von vielen angezweifelt, aber ich habe gesehen, dass das sicher die Lösung ist. Damit war dieser Teil der Physik für mich erledigt, und ich kann inzwischen etwas anderes machen und zwanzig Jahre warten, bis alle kapieren, dass das richtig ist." Er habe nicht hochbezahlt im CERN sitzen und etwas machen wollen, was nicht im Interesse des Laboratoriums sei.

Richtiges Projekt zum richtigen Zeitpunkt

Heute, ist Thirring überzeugt, würde es nicht mehr gelingen, ein Projekt wie CERN nochmals auf die Füße zu stellen. "Das war damals der richtige Zeitpunkt, so wie wir mit Gründung des Erwin Schrödinger Instituts den richtigen Augenblick erwischt haben. Das würde man heute auch nicht mehr schaffen." Thirring hat 1992 dieses internationale Institut für Theoretische Physik in Wien gegründet.

Als größten Erfolg des CERN bezeichnet Thirring den Elektron-Positron-Beschleuniger (LEP), der von 1989 bis 2000 in Betrieb war. Der Wissenschafter verweist darauf, dass die ursprüngliche Idee für dieses gewaltige Experimentiergerät mit einer Länge von 27 Kilometern auf die Idee des österreichischen theoretischen Physikers Bruno Touschek zurückgegangen ist. (APA)