Foto: Deutschbauer-Spring/Petra Egg
Sehr geehrter Herr Dr. Nenning, sehr geehrter Herr Staatssekretär Morak.

Bekanntlich wurden viele österreichische Autoren geladen, am "Austrokoffer" mitzuarbeiten und Texte dazu beizutragen, die jedoch partout nicht hineinwollen (ob eine österreichische Oppositionspartei oder die ausländische Presse hinter dieser Austrokoffervernaderung steckt, sei dahingestellt). Bestimmt sind die Gelder dafür budgetär gebunden, und es wäre schade, diese ungenutzt liegen zu lassen.

Um Ihnen aus dieser Verlegenheit zu helfen, erklären wir uns bereit, für alle Autoren, die ihre Teilnahme absagten, einzuspringen.

Das Bibelwort (einem praktizierenden Katholiken nicht unbekannt) "Eng ist das Tor und eingeengt der Weg, und wenige sind es, die ihn finden" wurde beim "Austrokoffer" zu: "Weit ist das Tor und ausgebreitet der Weg, jeder ist eingeladen, doch wenige sind es, die ihn suchen."

Dem wollen wir abhelfen (vgl.: "Viele sind eingeladen, doch nur wenige wollen."). Diese "einzigartige Initialzündung, diese Großtat für die Literatur unserer Heimat" (Wolfgang Schüssel) darf nicht in der Luft verpuffen.

Unser Ziel ist daher auch, die österreichische Literatur nach 1945 zu verheimaten, zu austrofizieren. Erst dann wäre ihr Platz im "Austrokoffer" gesichert. Zum Beispiel wird in der von uns austrofizierten Übersetzung von Linnés Lappländischer Reise durch H. C. Artmann aus dem Schweden Carl von Linné der Niederösterreicher Karl von Leiner, der statt in Lappland im niederösterreichische Voralpengebiet botanisiert.

Lilienfeld statt Lappland!

Oder in der von uns verheimateten Ausgabe von Konrad Bayers Der Kopf des Vitus Bering wird aus dem Polarforscher Vitus Bering der Kärntner Alpinist Viktor Bärnig und aus der Arktis der Pasterzengletscher am Großglockner.

Kathrin Rögglas schrille Berliner Szeneporträts werden verwienert und Doran Rabinovicis letzter Roman handelt in unserer austrokofferfisierten Version nicht in Tel Aviv, sondern in Knittelfeld.

Auch Josef Winklers indische Ausrutscher müssen austrofiziert werden. Glan statt Ganges, Witwenverbrennung am Wörthersee (die Filmrechte dafür hat sich Franz Antel dem Vernehmen nach bereits gesichert. Weiters sind wir auch der Meinung, dass die Drehbücher aller 220 Wirtinnenfilme den Koffer komplettieren sollten!).

Ja, wir heimatwehen sehr! Wir vermessen den "Austrokoffer" neu, verheimaten, austrofizieren, füllen Lücken, springen ein, wo andere abspringen.

Ihr Julius Deutschbauer und Gerhard Spring

PS: Wir meinen nun übrigens: Auch die österreichische Musik braucht ihren Koffer!

Daher möchten wir insbesondere Sie, Herr Kulturstaatssekretär, dazu anregen, die Kuratel zu einem eventuell ohnehin bereits geplanten "Austropopkoffer" selbst in die Hand zu nehmen. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.2004)