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Daud Abdullah (links) und Musharraf Hussain in Bagdad. Sie wollen Kanäle öffnen, die zu einer Befreiung des verschleppten- und am Wochenende bereits totgeglaubten - Briten Ken Bigley führen könnten.

Foto: REUTERS/POOL
Nein, Unterhändler seien sie nicht, dämpfte Daud Abdullah zu hohe Erwartungen, kaum dass er in Bagdad eingetroffen war. Sie könnten auch nur an das Gewissen der Entführer appellieren, in der Hoffnung, vielleicht doch einen menschlichen Nerv zu treffen. Aufgeben dürfe man diese Hoffnung ja nie. Abdullah und sein Reisegefährte Musharraf Hussain sind seit Samstag in der irakischen Hauptstadt, wo sie versuchen, die Freilassung ihres Landsmanns Ken Bigley zu erwirken. Sie wollen mit sunnitischen Geistlichen reden, und vielleicht führe von denen ein Gesprächskanal zu den Kidnappern.

Hussain leitet das Karimija-Institut, eine religiöse Lehranstalt in Nottingham. Er stammt aus Indien, hat an der berühmten Al-Azhar-Universität in Kairo studiert und zählt zu den angesehensten Islamgelehrten des Vereinigten Königreichs. Daud Abdullah, geboren auf der Karibikinsel Grenada, schrieb Bücher über die Not palästinensischer Flüchtlinge, jetzt dient er dem Muslim Council of Britain (MCB), dem Dachverband der britischen Muslime, als stellvertretender Generalsekretär.

"Schuss aus der Hüfte"

Keiner der beiden Emissäre kennt Bagdad, keiner von beiden hat einen Überblick über das verwirrende Knäuel der Gruppen, die im Zweistromland Geiseln nehmen. Pola Uddin, die als muslimische Baroness im House of Lords sitzt, spricht denn auch skeptisch von einem "Schuss aus der Hüfte". Es ist wohl vor allem die Geste, die zählt.

Das grausame Nervenspiel, das die Entführer mit Bigley und seiner Familie treiben, hat auch die meisten Muslime des Inselreichs zutiefst aufgewühlt. In Toxteth, einem Kleine-Leute-Viertel in Liverpool, Ken Bigleys Heimatstadt, strömten Tausende zur jüngsten Freitagspredigt der Al-Rahma-Moschee. Scheich Sadik, der Imam, hatte sie ausdrücklich dem Mitgefühl mit der Geisel gewidmet. "Der Islam verbietet es kategorisch, Unschuldige als Gefangene zu nehmen, sie zu foltern oder zu töten", rief er. Auf dieser Welle der Emotionen, in einer Blitzaktion, wie es scheint, schickte der MCB seine zwei Abgesandten in den Irak.

Rund zwei Millionen Muslime leben auf der Insel, etwa die Hälfte von ihnen im toleranten, kosmopolitischen London, viele aber auch in gettoähnlichen Bezirken früherer Industriestädte wie Bradford und Oldham. Oft kritisierte ihr Dachverband, wie sich das Klima nach den Anschlägen in Amerika und dem Irakkrieg auch in Großbritannien verhärte, wie eine ganze Bevölkerungsgruppe pauschal unter Terrorverdacht gerate.

Bereits nach den Zugbomben von Madrid appellierte der Rat an die Ältestenräte der Moscheen, sofort die Polizei zu informieren, falls Fanatiker in den Gotteshäusern Verdächtiges planen. Seit Sonntag verteilt der Bund Handbücher an muslimische Haushalte. "Kennt eure Rechte und Pflichten", heißt der Titel, es folgen die Nummer einer Anti-Terror-Hotline und der deutliche Satz, das Vermeiden blutiger Anschläge sei ein "islamischer Imperativ". (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 27.9.2004)