Peter Singer
Schwangerschaftsabbruch und ethische Güterabwägung
in: Medizin und Ethik
Hans-Martin Sass (Hg.)
Reclam 1999, S. 398
ISBN: 3-15-008599-3
8,40 EURO
Reclam

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Konservative Standpunkte können schon mal ganz progressiv auf der Straße ausgetragen werden.
Reuters/Young
dieStandard.at lotet die Positionen zur Abtreibungsdebatte aus - diskursiv, progressiv, feministisch

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Peter Singers Argumentation kreist um zwei Pole der menschlichen Entwicklung: der Zygote einerseits, also der befruchteten Eizelle ganz am Anfang der Entwicklung, und dem "fertigen" Mensch auf der anderen Seite. Zygoten, eine winzige Ansammlung von Zellen ohne jeglicher Voraussetzung, Schmerz zu empfinden, würden kaum Streitereien entzünden. Schließlich werden auch immer wieder welche aus der Gebärmutter herausgeschwemmt, ohne dass das von der Frau auch nur bemerkt wird. Auf der anderen Seite stehe der Mensch und die Tatsache, dass die Tötung eines Menschen von allen Seiten klarerweise als Mord bezeichnet wird. Nur, wo verläuft denn nun die Trennlinie zwischen Zygote und Mensch? Und - woran sollte diese überhaupt festgemacht werden?

Genau dieses scheinbare Fehlen einer scharfen Trennlinie zwischen Zygote und Mensch macht Peter Singer für die Schwierigkeiten innerhalb der Abtreibungsdebatte verantwortlich. Um trotzdem Position beziehen zu können, schlägt er einen Umweg vor, von konservativen über liberalen und schlussendlich zu feministischen Positionen.

Konservative Positionen

Die zentralen konservativen Prämissen sind folgende: Es ist falsch ein unschuldiges menschliches Wesen zu töten. Ein menschlicher Fötus ist ein unschuldiges menschliches Wesen. Und, daraus gefolgert, ist es falsch, einen Fötus zu töten.

Liberale Positionen würden - laut Singer - die zweite Prämisse bestreiten, also dass der menschliche Fötus ein "unschuldiges menschliches Wesen" sei. Doch hier lassen sich Konservative kaum erschüttern und verweisen eben auf diese fehlende Trennlinie zwischen Zygote und Mensch. Wenn nicht klar ist, ab wann wir es mit einem Mord (also der Tötung eines Menschen) zu tun haben, müssen wir auf jegliche Abtreibung verzichten.

Dennoch, Vorschläge für die Deklaration als "Mensch" gäbe es genug, keine davon würde aber stichhaltig genug sein: die Geburt, die Lebensfähigkeit oder Bewegungen des Embryos.

Geburt als Trennlinie

Der konservative Standpunkt lautet, dass es sich beim Embryo und dem geborenen Kind um das selbe Wesen handelt. Als Beispiel käme hier ein Frühgeborenes in Frage. Auch wenn das Baby noch weniger entwickelt ist, ist es dennoch nicht durch seine Lage - also außerhalb oder innerhalb des Körpers der Mutter - definierbar.

Lebensfähigkeit als Trennlinie

Ob und ab wann ein Fötus außerhalb des Mutterleibs überlebensfähig ist, ist zu einem großen Teil vom jeweiligen Stand der Technik abhängig, egal ob historisch oder geografisch. Wäre es jetzt also legitim, einen sechs Monate alten Fötus in einem abgelegenen Dorf im Tschad oder Neuguinea zu töten, in einer Stadt wie London oder New York nicht?

Hier könnte noch das Argument eingeflochten werden, dass der Fötus, in allem, was sein Überleben angeht, von seiner Mutter abhängig ist und damit nicht unabhängig von deren Wünschen ein Recht auf Leben habe. Wohin das führen kann, scheint auf der Hand zu liegen, steht es doch außer Frage, dass zum Beispiel ältere oder kranke Menschen, die auf Andere angewiesen sind, ebenfalls ein unanfechtbares Recht auf Leben besitzen.

Bewegung als Trennlinie

Die erste Bewegung des Fötus als Trennlinie wird auch von mancher Seite ins Spiel gebracht, zu diesem Zeitpunkt auch die Mutter ihr Kind zum ersten Mal wahrnehmen könnte. Nach alter christlicher Auffassung ist dies auch der Moment, in dem der Fötus seine Seele empfängt, womit er sich nun grundsätzlich vom Tier unterscheidet. Dennoch, die Vorstellung der Verbindung von Bewegungen und einer "Seele" können mittlerweile als abergläubische Vorstellungen abgetan werden. Ebenfalls kann nicht abgestritten werden, dass der Embryo bereits vorher lebt und im übrigen betrachten wir ja auch bei Gelähmten das Fehlen physischer Bewegungsmöglichkeiten nicht als Aufhebung ihres Anspruchs auf Weiterleben.

Und, wie sehen die liberalen und feministischen Argumente aus? Können sie die vorher genannten Standpunkte entkräften? to be continued ...

(e_mu)