Brüssel - Mit heute rund 70 Millionen Einwohnern - und geschätzten 83 Millionen im Jahr 2010 - wäre die Türkei neben Deutschland (82 Millionen) der größte Mitgliedstaat in der Europäischen Union. Entwickelt sich die Bevölkerung so weiter, wäre die Türkei, das einzige Land in Europa mit Bevölkerungswachstum aus Geburtenüberschuss, 2050 mit 100 Mio. Menschen das mit Abstand größte Land in der EU.

Finanzierbarkeit der EU-Agrarpolitik

Die Größe des Landes wirft auch Fragen nach der Finanzierbarkeit der EU-Agrarpolitik auf. Die Agrarfläche ist mit 38,8 Millionen Hektar nur knapp kleiner als jene der zehn EU-Neumitglieder zusammen, sie entspricht fast einem Drittel von jener der 15 "alten" EU-Staaten. 35 Prozent der türkischen Erwerbstätigen arbeiten in der Landwirtschaft, in der EU-15 beschäftigt dieser Sektor nur mehr 4,2 Prozent.

Rasante wirtschaftliche Entwicklung

Wirtschaftlich hat die Türkei in den vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung durchgemacht. 2003 verzeichnete das Land laut Frühjahrsprognose der EU-Kommission ein Wachstum von 5,8 Prozent, für heuer werden 4,6 Prozent und für 2005 5 Prozent erwartet. Die treibende Kraft dahinter waren der private Konsum und Investitionen. Die gestiegene Nachfrage führte allerdings auch zu mehr Importen und einer Ausweitung des Handelsbilanzdefizits.

52 Prozent der türkischen Exporte gehen bereits heute in die EU, umgekehrt kommen 46 Prozent seiner Einfuhren aus der Union. Auch auf den Arbeitsmarkt hat das Wirtschaftswachstum noch nicht durchgeschlagen, die Arbeitslosenrate liegt laut EU-Schätzungen konstant bei rund 11 Prozent.

2003 entsprach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 27 Prozent des EU-Durchschnitts

Der Abstand zur EU ist in der Kaufkraft der Bevölkerung noch beträchtlich. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf entsprach im Vorjahr 27 Prozent des Durchschnitts aller 25 EU-Staaten. Die Unterschiede im Lebensstandard werden auch durch andere Zahlen deutlich. Kommen in der EU-15 auf 1.000 Einwohner 469 Autos, so sind es in der Türkei lediglich 67. Mit 132 Ärzten pro 100.000 Einwohner hat die medizinische Versorgung nur etwa ein Drittel der Stärke in der Union. Während in der EU-15 unter 1.000 Neugeborenen vier bis fünf sterben, sind es in der Türkei 38.

Deutlich geringer ist der Anteil der Frauen am Arbeitsmarkt: Während vor der Erweiterung in der EU 55 Prozent aller Frauen zwischen 15 und 64 Jahren beschäftigt waren, hat in der Türkei nur jede vierte Frau einen Job. (APA)