Dass sie aus Nikaragua stammt, sagt Bianca Jagger inzwischen bei jedem öffentlichen Auftritt - es erklärt ihre heutige Rolle als Menschenrechtsaktivistin besser als der Name Jagger, der lediglich auf ihren früheren Ehemann Mick und damit auf die schillernd hedonistische Rocklegende der Rolling Stones hinweist.

Herkunft aus Nikaragua heißt in diesem Fall hineingeboren in die Militärdiktatur der Familie Somoza. Am 2. Mai 1944 kam Bianca Pérez Morena de Macías in Managua als Tochter eines Financiers zur Welt. Ihre Eltern trennten sich bald darauf, die Mutter brachte sich mit einem Straßencafé durch, in dem Bianca und ihr Bruder Carlos als Kinder mitarbeiteten.

Dennoch blieb Zeit und Energie für eine Schulausbildung, 1961 bewarb sich Bianca erfolgreich um ein Stipendium am Institut für Politikwissenschaften an der Pariser Sorbonne. In Paris entdeckte sie dann die Mode, die ersten Schritte zum damaligen "Glamour-Girl" führten über eine Freundschaft mit dem Avantgardekünstler Yves Klein.

1967 machte sie einen Abstecher nach England und gehörte kurz der Londoner Szene an. In Paris wiederum wurde sie nach einem Konzert der Rolling Stones Mick Jagger vorgestellt, noch am selben Abend wurden sie ein Paar.

Am 11. Mai 1971 heiraten Mick und Bianca - heute sagt sie, das sei der dunkelste Tag in ihrem Leben gewesen. Noch im Jahr der Hochzeit kam Tochter Bianca zur Welt, sie ist nun das, was ihre Mutter in den 70er-Jahren war: ein Model und Szene-Girl.

Durch Mick Jagger lernte Bianca viele einflussreiche Menschen kennen, befreundete sich mit Andy Warhol, der Galionsfigur der Pop-Art, und ließ diese Kontakte auch nach der Scheidung von dem Rolling Stone nicht aus. Sie selbst nannte als einen Grund, ihren Namen beizubehalten, dass er Türen öffne.

Genau das brauchte sie auf ihrem Weg zur Menschenrechtsaktivistin, der sie unter anderem in den Kosovokrieg, nach Pakistan und nach Afghanistan führte. Mehr und mehr setzte sie sich für die Rechte der Unterdrückten ein, wurde zur scharfen Gegnerin der Todesstrafe und überzeugte mit ihrem Einsatz auch jene, die vorerst nur an die Publicity bringende Laune einer Prominenten glaubten.

Im Dezember wird Bianca Jagger, der Botschafterin von "Amnesty International", der Alternative Nobelpreis überreicht. Sie wird wohl auch diese Feier nutzen, um ihre Überzeugung auszudrücken. US-Präsident George W. Bush zum Beispiel hält sie für den "gefährlichsten Präsidenten, den dieses Land je hatte."

Und sie wird wieder bescheiden wirken. Wie ihre Reaktion darauf, dass man sie schon die "neue Mutter Teresa" nannte. "Sehr schmeichelhaft", sagte die erklärte Katholikin Bianca, "aber ich habe das nicht verdient." (Klaus-Peter Schmidt/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 9. 2004)