"Viele Unternehmen ertrinken in Daten, suchen aber nach richtigen Informationen, um richtige Entscheidungen zu treffen." Dieses Bild zeichnet Wilfried Seyruck, Geschäftsführer der Programmierfabrik im Softwarepark Hagenberg, und trifft ziemlich genau die Wirklichkeit.

Voraussetzung, um aus dem Wust an Daten aus ganz unterschiedlichen Quellen Nutzen für Geschäftsentscheidungen zu ziehen, ist die Sammlung in großen Datenspeichern, den so genannten Data-Warehouses. Große Firmen verwalten darin unvorstellbare Datenmengen im Terrabytebereich. Um diese Informationsflut beherrschbar zu machen, setzen immer mehr Firmen Data-Mining-Verfahren ein. Mit diesen Programmen können Kunden segmentiert und Aussagen über ihr Verhalten in der Zukunft getroffen werden. "Nur so können die Entscheidungsträger schneller mit jenen Informationen versorgt werden, die zur Steuerung eines Unternehmens erforderlich sind", sagt Seyruck. Denn das Problem vieler Unternehmen ist: Die Loyalität der Verbraucher zu Marken sinkt, gleichzeitig können die Kunden aber Produkte und Leistungen immer schneller vergleichen. Die Unternehmen reagieren darauf, indem sie versuchen, immer wieder neue Kunden zu gewinnen, die bestehenden Kunden länger zu binden und den Umsatz pro Kunde zu steigern.

"Data-Mining ist für viele Unternehmen das entscheidende Instrument, um mehr Wissen über ihre Kunden und ihr Kaufverhalten zu bekommen." Das sagt Professor Marcus Hudec von der Universität Wien. Der Informatikexperte ist Spezialist für Data-Mining und Data-Warehousing sowie Forschungsgruppenleiter am E-Commerce Competence Center (EC3) in Wien. Die Datenbestände werden beim Data-Mining nach Regelmäßigkeiten, Mustern und Strukturen, Abweichungen, jeglicher Art von Beziehungen und gegenseitigen Beeinflussungen abgeklopft. "Wir untersuchen zum Beispiel Warenkörbe sowie die Navigationspfade der Besucher bei E-Commerce-Anwendungen und ermitteln, was die Leute gemeinsam einkaufen beziehungsweise auf welche Weise sie aus dem Angebot auswählen." Jürgen Palkoska vom Institut für Anwendungsorientierte Wissensverarbeitung (FAW) in Linz denkt ähnlich: Er arbeitet gerade in einem Projekt die Daten der Touristikplattform der Tiscover AG mit Data-Mining auf. "Wir wollen wissen: Wer bucht welche Reisen? Und wer von ihnen kauft noch spezielle Ausflugtickets", sagt er.

Nummer mitnehmen

In Sachen Kundenbindung tut sich ab Oktober ein neues Anwendungsgebiet für Data-Mining auf: Die österreichischen Handybesitzer können beim Anbieterwechsel ihre Rufnummer zur Konkurrenz mitnehmen. Deshalb sind Netzbetreiber wie T-Mobile und Mobilkom sehr daran interessiert, zu erkennen, welche ihrer Kunden demnächst abwandern könnten. "Ziel ist, die Kündigungsrate zu senken", erläutert Hudec. Durch die mit Statistikprogrammen durchgeführten Analysen können die Data-Miner nicht nur ermitteln, wer in der Vergangenheit gekündigt hat, sondern auch vorhersagen, welche Kunden möglicherweise zu einem anderen Anbieter überlaufen werden. Sie können dann mit einem Angebot rechnen.

Auch viele Versicherungsgesellschaften führen Kündigeranalysen durch. Banken wollen frühzeitig ermitteln, welche ihrer Kunden möglicherweise ihre Kredite nicht bezahlen. "Oft finden Unternehmen beim Schürfen echte Nuggets", wie ein Data-Mining-Experte formuliert - "überraschende Erkenntnisse aus der Datenflut", so Hudec.

Data-Mining wird inzwischen auch dafür benutzt, um Licht in Prozessabläufe zu bringen. Denn auch in der Produktion ist oft nicht klar, wie man vorgeht, um Prozessabläufe zu optimieren. Oder wie Ulrich Bodenhofer, wissenschaftlicher Leiter des Software Competence Center Hagenberg, formuliert: "Bisher konnten nur Experten in komplexen Systemen Zusammenhänge erkennen und logische Schlüsse ziehen." Man brauchte stets viel Intuition und eine Menge Fachwissen, um etwa Anlageparameter in der Papierproduktion (siehe unten) so zu verändern, dass das hergestellte Produkt die bestmögliche Qualität aufwies. Doch stets waren das subjektive Erfahrungen.

Zu viele Daten

Um der Qualität durch die Messung von Prozessdaten auf die Spur zu kommen, waren in der Vergangenheit auch zu viele Daten verfügbar. Und es war unklar, welche Daten relevant für die Bestimmung der Qualität sind. Die Lösung: Durch Data-Mining werden die Prozessdaten auf der einen Seite mit den Ergebnissen verglichen. Damit kann man in Zukunft nicht nur Vorhersagen über die Qualität abgeben, sondern auch den Produktionsprozess so verändern, dass stets die optimale Qualität erzielt wird. (Johannes Klostermeier/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. 9. 2004)