Wien - Perfekt ist der Ort: Die graugrüne Betonschäbigkeit der Halle im Meidlinger Kabelwerk simuliert die Ruinen Trojas mit allumfassender Tristesse. Darin wetteifern die Besiegten in Klage und Selbstrechtfertigung: Hekabe, die Königin, ihre Tochter Kassandra, ihre Schwiegertochter Andromache, Witwe des Hektor, und der personifizierte Zankapfel, die schöne Helena, die sich aus allem herausreden wird - Trümmerfrauen mit großem Mundwerk.

Nicht verhindern können sie, dass der Befehl des Odysseus vollstreckt und Andromaches kleiner Sohn getötet wird: ein Mord als Schlussstrich unter den Krieg, auf dass den Griechen kein Rächer erwachse. Tears of Joy ist, wie der Titel andeutet, eine Farce, keine Tragödie. Gustav Ernst exekutiert Drastik statt Realismus, er erweist sich als Fachmann für Fleischabfälle ("Schlachten" hieß das Stück ursprünglich), er lässt seine Figuren ein durchaus reizvolles wienerisches Altgriechisch sprechen und in "zergatschten" Gliedern und tropfenden Gehirnen schwelgen, in Kraftwörtern und Zoten.

Starke Stücke

Da gibt es starke Passagen, wenn etwa eine Frau jeweils (durch Perückentausch unterstützt) in die Sprachhaut der anderen schlüpft, um sie zu verhöhnen. Aber über weite Strecken funktioniert das, was landläufig "grimmiger Witz" heißt, nicht. Wer heute, fern von Hollywood, ein Stück über den Untergang Trojas schreibt, riskiert einiges. Zum Beispiel die Frage: Was ist neu daran? Die Stunde Null ohne Hoffnung und der Bankrott der Götter finden sich schon in Euripides' Troerinnen.

Bereits in Sartres Bearbeitung erscheint die Stadt Kleinasiens als Urbild der Kolonie. Gustav Ernst bringt ins Archetypische eine aktuelle satirische Betrachtung über die Annexion des Völkerrechts durch den Starken ein. Und er betont die Mitschuld der Opfer, der Frauen, die auf Helden stehen: "Wenn der Krieg/ einmal begonnen hat in allen,/ kann er nicht mehr aufhören/ in einem!" Sehr wahr, aber nicht wirklich neu.

Die Botschaft des Stückes lautet, in seiner eigenen Sprache: Krieg ist scheiße. Auch für die Sieger. Regisseur Guido Huonder, der gleich zur Uraufführung einiges gestrichen hat, müht sich redlich um Spannung, etwa indem er - ein abgenutzter Einfall - den Damen Besen in die Hand drückt, mit denen sie nach erfolgtem Kehren aufeinander losgehen. Nicht alle im Theater m.b.H. bewältigen die Gratwanderung zwischen Zynismus und Betroffenheit. Überfordert ist Berenice Pahl als Andromache, souverän dagegen Johanna Tomek als königliche Bissgurn mit diagnostischem Weitblick.

Die besten Szenen aber hat C. C. Weinberger als bemüht abgebrühter Kriegshandwerker Talthybios, der für Odysseus die Dreckarbeit erledigt, ein Scherge und Mörder, der - erfolgreich - um Mitleid buhlt. Was er sagt, klingt schaurig nach, wenn man aus dem Theater in eine Ruinenlandschaft tritt. (Daniela Strigl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. 9. 2004)