Berlin - Noch nie seit der Wiedervereinigung haben sich so viele Ostdeutsche als Verlierer gesehen. 30 Prozent empfinden sich als benachteiligt, wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" am Samstag unter Berufung auf eine Umfrage in der Ex-DDR berichtete. Mehr Menschen denn je in den neuen Ländern (44 Prozent) sagen, ihre wirtschaftliche Lage sei weniger gut oder schlecht. Fast 15 Jahre nach dem Mauerfall schwinde die Hoffnung auf rasche Besserung. Gleichwohl wünschten sich die Ostdeutschen die DDR nicht zurück.

Knapp 60 Prozent der Befragten sind laut "Spiegel" der Ansicht, dass es mehr als zehn Jahre dauern werde, bis ost- und westdeutsche Wirtschafts- und Lebensbedingungen angeglichen sind. Im Oktober 1993 schätzten nur halb so viele Menschen die Situation so ein. Während es in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der DDR noch großes Zutrauen in die Stärke des westlichen Systems gegeben habe, mache sich nun Skepsis breit: bei Frauen mehr als bei Männern, unter PDS-Anhängern mehr als in der Klientel anderer Parteien.

"Gewaltig was passiert"

Weniger als zwei Drittel der Ostdeutschen glaubten, dass das System der Bundesrepublik für eine florierende Wirtschaft und ordentlichen Lebensstandard sorgen könne. "In den vergangenen Jahren ist da gewaltig was passiert", sagte Infratest-Mitarbeiterin Rita Müller-Hilmer. Die These, dass der Sozialismus eine gute Idee sei, die nur schlecht ausgeführt worden sei, finde allerdings weniger Zustimmung denn je seit dem Mauerfall. 60 Prozent der Ostdeutschen meinen, dass ihnen ein Staat, der Eigenverantwortung fordere, lieber sei als ein Staat der fürsorglichen Bevormundung.

Bei der Studie des Instituts TNS Infratest wurden den Angaben zufolge nur Fragen vorgelegt, die schon bei früheren Erhebungen gestellt worden waren. Beteiligt waren laut "Spiegel" rund 1.000 Bürger. (APA/AP)