New York - Eine neue Gebärdensprache, die von gehörlosen Kindern in Nicaragua vor dreißig Jahren entwickelt wurde, bietet Forschern einen einzigartigen Einblick in die Entwicklungsgeschichte der menschlichen Interaktion. Zu diesem Schluss kommen US-Forscher in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science.

Sprachentwicklung folge demnach grundsätzlichen Regeln, die in allen existierenden Sprachen vorkommen, egal ob diese den Kindern beigebracht werden oder nicht, so die Forscher um Ann Senghas von der Columbia University in New York. Das bedeutet auch, dass einige Teile von Sprache nicht über jeweilige Kulturen weitergegeben werden, sondern sie entstehen aus einem angeborenen Weg wie Menschen sprechen, nehmen die Forscher an. Die Frage nach der Entstehung von Sprachen hat Wissenschaftler immer in zwei Gruppen gespalten: jene, die davon ausgehen, dass die Entstehung nur kulturell bedingt ist und jene, die annehmen, dass Grammatik eine natürlich angeborene Fähigkeit ist.

Beobachtungsobjekt Taubstummensprache

Bisher konnte dieser Forscherstreit nicht beigelegt werden, da die Geschichte der Sprachen zu weit zurückliegt. "Daher ist diese Sprache der gehörlosen Kinder eine einzigartige Möglichkeit gewesen, die Entwicklung einer neuen Kommunikationsart zu beobachten", so die Forscherin. Auch andere Sprachforscher wie etwa Steven Pinker von der Harvard Universität bezeichneten die Entdeckungen in Mittelamerika als bahnbrechendes Forschungsergebnis.

Vor 1970 gab es in dem mittelamerikanischen Land keine Gehörlosenschule. Diese wurde erst 1981 eröffnet. Damals kamen zahlreiche gehörlose Kinder erstmals miteinander in Kontakt. Eine gemeinsame Gestensprache wurde nicht gelernt, aber die Kinder begannen sich gestikulierend zu verständigen. In den Grundzügen war diese Sprache relativ einfach und pantomimenhaft. Weitere hinzukommende Kinder sorgten dafür, dass sich bald eine eigenständige sehr deutlich ausgeprägte Gestensprache entwickelte. Das war die Geburtsstunde der "Nicaraguan Sign Language" (pte)