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Alle Versicherungszeiten, die vor 1972 erworben wurden, sind noch nicht elektronisch erfasst. Sie liegen, teils handschriftlich aufgezeichnet, in den Kellern der Gebietskrankenkassen und müssen für die Pensionsberechnung bearbeitet werden.

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200 zusätzliche Sachbearbeiter muss die Pensionsversicherungsanstalt einstellen, um die Harmonisierung umsetzen zu können. Das verursacht jährlich 8,5 Millionen Euro Mehrkosten nur für Personal. Tausende Akten liegen zudem in den Kellern der Krankenkassen.

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Wien - Es gilt, 2,3 Millionen Konten überhaupt erst einmal neu anzulegen. Und zwar in die Vergangenheit zurückgerechnet noch dazu. Es geht um die künftigen fiktiven Pensionskonten, die die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) im Rahmen der Harmonisierung der Pensionssysteme für jeden schon jetzt Beschäftigten unter 50 und jeden neu eintretenden Arbeitnehmer (im Schnitt 100.000 pro Jahr) anlegen muss. Die Pensionen der über 50-Jährigen müssen im alten System natürlich auch weiterberechnet werden. Und 1,64 Millionen Pensionisten sind in der PVA derzeit aktenkundig.

Um das riesige Projekt Harmonisierung zu organisieren und zu verwalten, muss die PVA 200 zusätzliche Sachbearbeiter einstellen, erklärt PVA-Obmann Karl Haas im Standard-Gespräch. Jährlich kostet die Harmonisierung in der PVA damit allein an Personalkosten inklusive Lohnnebenkosten mindestens 8,5 Millionen Euro.

Es geht dabei um qualifizierte Sachbearbeiter, die ein Jahr lang in das Pensionsversicherungsrecht eingeschult werden müssen, nicht um studentische Nebenjobs. Im Schnitt geht man in der PVA davon aus, dass dann "im Jahr 100.000 Fälle erledigt werden können". Zusätzliche Kosten fallen noch für ebenfalls neu anzuschaffende Schreibtische und Computer an.

Aktenkisten im Keller

Denn es müssen sämtliche Versicherungsverläufe rekonstruiert und die jeweiligen Beitragsgrundlagen für die Pensionen erhoben werden. 700.000 Versicherungsbiografien sind überhaupt unvollständig und müssen mühsam zusammengesucht werden. Und da gibt es ein großes Problem. Die Versicherungsdaten werden erst seit 1972 elektronisch gespeichert. Alles davor schlummert in den Kellern der Gebietskrankenkassen in Karteikästen und Aktenbergen. Und muss also händisch herausgesucht werden. Die Arbeitslosenzeiten wiederum sind von den Arbeitsämtern festgehalten worden.

Die neu eingestellten PVA- Experten werden viel Arbeit haben. Arbeit, die vor allem aus der Parallelrechnung resultiert, erklärt Helmut Ivansits, Leiter der Abteilung Sozialversicherungsrecht in der Arbeiterkammer Wien: "Um eine einzige harmonisierte Pension auszurechnen, müssen drei Pensionen nach drei alten Rechtslagen ermittelt und mit der Pensionsvariante nach neuem Recht gemischt werden." Das sei ein hoch komplexes Rechenmodell, aber wenn erst einmal die entsprechende Software programmiert ist, technisch kein so großes Problem.

Aus vier mach eins

Das Grundproblem aber sei, sagt Ivansits, dass sich die Regierung gegen ein Stichtagsmodell entschieden habe. Dann nämlich hätten die Ansprüche, die jemand im alten System erworben hat, auf einmal auf das Pensionskonto verbucht werden können. Und ab dem Stichtag, zum Beispiel ab 1. Jänner 2005, wären alle neuen Ansprüche nach der neuen Rechtslage gutgeschrieben worden. Das hätte den Vorteil gehabt, dass Menschen, die knapp vor der Pension stehen, kaum Verluste gehabt hätten, so Ivansits.

Der "wahre Grund für die Parallelrechnung" sei aber der, dass die Beamten bei der Stichtagsregelung höhere Verluste gehabt hätten als bei der Parallelrechnung. (Lisa Nimmervoll(DER STANDARD, Printausgabe, 17.9.2004)