Das sei ja wie beim Therapeuten, kommentiert Andreas Mohr die Fragen in astreinem Bregenzerwälderisch. Fragen nach seiner Befindlichkeit als frisch gefeierter 30er, nach Dingen, die ihn prägten, auf die er zurückblickt, Spielsachen zum Beispiel. Aber auch Fragen nach dem Lebensgefühl. Auf jeden Fall fühlt er sich pudelwohl mit seinen 30. "Obwohl - jetzt kommen halt zehn wichtige Jahre", meint er. "Obwohl - das hab' ich mit 20 auch gesagt", gesteht er.

Ob er es mit 40 auch sagen wird? Er hebt die Schultern und denkt nach. Eine Weile. "Neulich, als ich mit einem Vermieter über einen Mietvertrag sprach, fragte ich ihn, ob man den nicht gleich um 15 Jahre verlängern könne. Darauf sagte der: ,Da sind sie 45'. Da bin ich dann ganz still geworden und hab' versucht, mir das vorzustellen."

Doch schauen wir zurück: Was kann dingfest gemacht werden, aus 30 Jahren Andreas Mohr? Der aus Andelsbuch im Bregenzerwald stammende Bruder von sechs Geschwistern will sich nicht trauen, Dinge von sich zu geben, die nach absoluten Gültigkeiten klingen könnten. Er zögert, ist sich nicht sicher. "Mit 15", da ist er sich schon sicher, " hatte ich viel konkretere Vorstellungen von der Zukunft. Ich denke allerdings, jetzt kann ich das Dasein mehr genießen, Orte, Objekte, Architektur, Farben, Licht." Das Essen sei ebenfalls so ein Punkt. "Mit 20 schmeckt's einem auch, aber man schlingt's halt runter".

Ob das Vorboten einer viel zitierten Gelassenheit des Alters sein könnten? Andreas Mohr meint, man wird lässiger, das habe wohl mit Erfahrung zu tun, damit, dass man Dinge auch passieren lässt. Aber ganz sicher ist er sich nicht, nur in seiner Unlust, permanent seine Pläne zu ordnen, wie andere das viel zu intensiv tun würden. Ein Plan, der im Falle Mohr aufging, ist das mit seinen beiden Brüdern gegründete Möbellabel "Moor & Moor". Ausgefallene Entwürfe, Betten zum Beispiel, denen die Mohrbrüder Namen wie "frontdoor fuck" oder "outdoor fuck" gaben, sind in immer mehr Schlafstätten zu finden. Auf Messen trat man mit Ständen aus Paletten und Bierkisten auf. Aus anfänglichem Belächeln wurde Applaus. In Bregenz gibt's ein eigenes Geschäft für die Objekte, "mit denen man schon provozieren wollte", so der in Wien und Andelsbuch lebende Mohr. War es jugendliche Rotzigkeit oder Marketing-Kalkül, das die Brüder zu ihrem schrägen Auftritt veranlasste? "Wir wollten einfach gegen die Haltung in der Branche auftreten, gegen die Unehrlichkeit. Du musst dir mal so eine Verkaufsschulungskassette anhören. Da wird's dir schlecht", so Mohr über sein fast aggressives Verhältnis gegenüber der "Saubermannwirtschaft". Mittlerweile läuft's bestens, und Mohr entwirft kreuz und quer durch die Wohnlandschaft.

Und was hat ihn geprägt? Welches Spielzeug, welche Designer, welche Orte? Den Bregenzerwald bezeichnet er als eine Art Versteck. "Dadurch, dass ich in Bregenz zur Schule ging, passierte ich jeden Tag auf gewisse Weise ein Tor zur Welt. Man beobachtet Züge, die weiß Gott wohin fahren, sieht das Landhaus, Orte, wo Zeitungen gemacht werden." Das Verstecktsein sei auch eine Art Ruhe gewesen. "Aber irgendwann sollte man dann mal weggehen, zumindest für eine Zeit", ist Mohr überzeugt. Er ging nach Wien, bereitet sich derzeit auf das Architektur-Diplom vor.

"Beim Spielzeug ist's schwer zu sagen", meint der Vorarlberger. Bei sieben Geschwistern wird halt viel ge- und vererbt, Lego, Playmobil, Matador usw. Als Zweitjüngster sieht man immer vorgezeichnete Wege, die von den Älteren entsprechen früher eingeschlagen werden. Das Interessante an Playmobil sei in diesem Zusammenhang, dass man Charaktere spielt und entwickelt, Mikrowelten aus Büchern oder Filmen, oder eben aus der Familie.

Als er im Rahmen des Foto-Shootings selbst wieder Hand an Playmobil anlegen sollte, keimten, so Mohr, sofort vertraute Gefühle: "Es kommen gleich wieder die Bilder von damals in dir hoch. Cowboyhüte aufsetzen, Pferde einspannen, die Zügel richten, weißt eh, wie das ist. Wie soll ich sagen? Gewisse Dinge sind echt abgespeichert, schnappen wieder zu. Es sind auch die alten Rollen wieder da. Man hat jetzt nicht plötzlich Wiener Cowboys, die sind alle noch von weit her, aus dem Wilden Westen oder aus Bonanza. Wirklich interessant ist ja, wie Kinder das mit dem Rollenspiel hinkriegen." Apropos Nachwuchs. Wünscht sich Andreas Mohr Kinder? "Klar, aber ich kann jetzt nicht sagen, ob ich in zehn Jahren schon fünf Kinder haben werde oder erst damit beginne, welche in die Welt zu setzen", so Mohr über seine Familienplanung.

Als "schwanger" bezeichnet Mohr den Begriff Design und fackelt nicht herum. "Der muss heute für so viel herhalten. Ich denke, das ist eine Erfindung der 80er-Jahre. Wenn's keine Inhalte mehr gibt, ist's Design, eine Designerbrille, ein Designersofa und weiß der Kuckuck was." Mohr geht es mehr um Lösungen, um Inhalte und deren Reflexion. Bloßes "Schaffa", wie es so viele Zeitgenossen zum Lebensinhalt machen, ist ihm zu wenig.

Der Gestalter findet es also super, im Jahre 2004 30 zu sein. Er möchte auch mit keiner anderen Zeit tauschen. Da hat er auch schon öfter drüber nachgedacht. "Außerdem kann man sich allein deshalb schon nicht in eine andere Zeit verpflanzen, weil man ja durch ,seine' Zeit geprägt ist. Man hat ja keine Ahnung, wie man vor 100 Jahren geworden wäre", so der zufriedene Designer. "Nein, nein, das passt schon alles so", könnte sein Nicken bedeuten, und er setzt nach, "politisch, kulturell und gesellschaftlich kann man wohl nie sagen, ,es passt'. Diese Umstände leben ja alle von Veränderungen." Und vom Jammern hält Mohr schon überhaupt gar nichts. (Michael Hausenblas, DER STANDARD, rondo/17/09/2004)