Wien - Innenminister Ernst Strasser (V) hat mit seinen Amtskollegen aus den baltischen Staaten, Margus Leivo (Estland), Eriks Jekabsons (Lettland) und Virgilijus Vladislovas Bulovas (Litauen) die Idee eines Auffanglagers für Flüchtlinge und potenzielle Asylwerber aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien entwickelt. Bei einer Pressekonferenz nach dem ersten "Austro-Baltic Security Summit" in Wien sagte Strasser: "Hier geht es um Betreuung." Herkunfts-, Transit- und Zielländer von Flüchtlingen müssten planen, wie diesen Menschen geholfen werden könne. Der Vorschlag soll der niederländischen EU-Präsidentschaft übermittelt werden.

Die Idee lehnt sich an einen Vorstoß des deutschen Innenministers Otto Schily an, der von dessen italienischen Ressortkollegen Giuseppe Pisanu unterstützt wurde. Im August diskutierten die beiden Politiker die Idee, die Flüchtlingsbewegungen aus Afrika via das Mittelmeer mit Hilfe von Auffanglagern in den nordafrikanischen Staaten Marokko, Tunesien und Libyen eindämmen zu wollen.

Innenminister für Initiative der EU

Strasser meinte, im Gespräch mit seinen Amtskollegen aus den drei Balten-Republiken sei zu Tage getreten, dass alle vier Staaten in gleicher Weise vom Problem tschetschenischer Flüchtlinge betroffen seien. "Nun müssen wir sehen, wie das Problem zu lösen ist", so der Innenminister, der sich eine diesbezügliche Initiative etwa der EU vorstellt.

Laut einer Statistik des Innenministeriums haben im Jahr 2004 bis Ende August 4.221 Personen aus der Russischen Föderation Asyl in Österreich beantragt. Aus Russland kam damit vergleichsweise die höchste Anzahl von Asylwerbern in diesem Zeitraum. Wie viele davon aus Tschetschenien stammten geht aus den Angaben nicht hervor.

Für Strasser hat ein Auffanglager "in der Nähe der Heimat" der Flüchtlinge drei Vorteile: Es befinde sich im selben Kulturkreis, aus dem die Flüchtlinge kommen; die sprachliche Verständigung sei erleichtert; und nicht zuletzt, sei es leichter, die Menschen in ihre Heimat zurückzuführen, wenn die Gefahr dort für sie vorbei sei.

Ukraine als möglicher Standort

Auf die Frage, wo ein solches Camp errichtet werden könnte, erklärte der Innenminister, entscheidend sei, dass es sich um einen sicheren Platz handle. Konkreter wurde sein litauischer Ressortkollege Bulovas: Er hielt das Nicht-EU-Mitglied Ukraine als im Konflikt zwischen Moskau und den tschetschenischen Rebellen "neutrales" und dennoch dem Krisenherd nahes Land als Standort für geeignet.

Weitere Themen bei dem Gipfel zur Koordination der künftigen Vorgehensweise innerhalb der Europäischen Union waren die Korruption, die grenzüberschreitende Kriminalität und der Grenzschutz. Die Minister forderten, dass die EU-Grenzschutzagentur so rasch wie möglich ihre Arbeit aufnimmt. Nach ihrem Willen soll sie ihren Sitz in einem neuen Mitgliedsland haben.

Zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität wurde ein verstärkter Datenaustausch via die nationalen Verbindungsbeamten der europäischen Polizeibehörde Europol diskutiert. Auch befürworteten alle Teilnehmer des Ministertreffens die Einrichtung eines gemeinsamen Asylsystems für die gesamte EU. Sie unterstrichen ihren Wunsch, dass die EU-Kommission ihren Evaluierungsprozess, bei dem beurteilt wird, welche der neuen EU-Länder dem Schengen-Abkommen beitreten können, spätestens im Jahr 2008 abschließt.

Strasser kündigte an, das Thema Korruption zu einem Hauptanliegen der österreichischen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 zu machen. Der estnische Innenminister bekräftigte: "Wir konsumieren nicht nur Europas Sicherheit, wir stellen sie auch bereit." (APA)