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Premier Vojislav Kostunica

foto: APA/epa/Djordje Kojadinovic
Belgrad - Wenn die Bürger Serbiens kommenden Sonntag in die Wahllokale gehen, um die neuen Kommunalverwaltungen und das Parlament in der nordserbischen Provinz Vojvodina zu wählen, handelt es sich unvermeidlich um einen Test für die Regierungsarbeit. Das Kabinett von Regierungschef Vojislav Kostunica wird dabei voraussichtlich keinen Grund zur Freude haben.

Regierung als "verstimmtes Orchester

Die Anfang März gebildete nationalkonservative Koalitionsregierung von Kostunicas Demokratischer Partei Serbiens (DSS) und ihrer drei kleineren Partner, die im Parlament auf die Unterstützung der Milosevic-Sozialisten angewiesen ist, wirkt seit ihrem Amtsantritt als äußerst verstimmtes Orchester, in dem jeder einzelne Musiker seine eigene Melodie spielt, während der Dirigent meist machtlos zuschaut. Nach nur wenigen Monaten im Amt macht DSS-Chef Kostunica seinem Ruf als Zauderer alle Ehre.

Planlose Vorschläge

Kostunicas Minister treffen Entscheidungen und machen Vorschläge, die dann immer wieder unter heftigem Druck der Öffentlichkeit rückgängig gemacht werden müssen. Für Aufsehen sorgte jüngst Bildungsministerin Ljiljana Colic, die kurzerhand die Darwinsche Evolutionstheorie aus den Biologiebüchern streichen ließ. Charles Darwin durfte eine Woche später nach dem Eingreifen des Regierungschefs dann doch in die Lehrpläne zurückkehren.

Arbeitgeberrechte sollen eingeschränkt werden

Ein weiterer Skandal zeichnet sich bereits ab. Arbeitsminister Slobodan Lalovic hat eine Novelle des unter der früheren Regierung von Ministerpräsident Zoran Djindjic erlassenen Arbeitsgesetzes vorbereitet, durch die die Arbeitgeberrechte eingeschränkt werden sollen. Unter anderem sieht die Gesetzesnovelle vor, den Arbeitnehmern ein Mitbestimmungsrecht bei Entscheidungen über Firmengewinne zu erteilen. Widerstand gegen den Plan gibt es aus der Expertenpartei G17-plus. Nach Einschätzung namhafter Wirtschaftsexperten werten ausländische Investoren die Novelle als Signal dafür, sich von Serbien fern zu halten. Dies bestätigte nach Belgrader Medienberichten jüngst auch der frühere Direktor der Belgrader Bank-Austria-Tochter HVB Serbien-Montenegro, Christian Greussing.

Zahlreiche Arbeiterproteste

Das Kabinett von Kostunica hatte von der früheren Regierung unter Zoran Zivkovic ein schwieriges Erbe übernommen. Inzwischen haben sich die Probleme aber nur noch vertieft. Der Sommer verlief im Zeichen ständiger Arbeiterproteste. Nicht selten hatten die Demonstranten ihre Hoffnungen auf die nationalkonservative Regierung gesetzt, was die folgende Enttäuschung um so größer machte.

"Die Transition verbucht in Serbien keine Aufstiegslinie; die Privatisierung als ihre Zugkraft hat weder zum wirtschaftlichen Wachstum noch zum Anstieg der Beschäftigung geführt. Mehr als eine halbe Million von Arbeitsplätzen gingen (in den vergangenen vier Jahren, Anm.) verloren, gleichzeitig wurden schätzungsweise fünf Mal weniger neue Arbeitsplätze geschafft. Und der Trend hält nach wie vor an", sagte der Belgrader Soziologe Milan Nikolic jüngst vor der Presse. Not tue eine Änderung der seit 2000 herrschenden Wirtschaftsdoktrin.

Eine Analyse des von Nikolic geleiteten Zentrums für Alternativforschung (CPA) hat ergeben, dass das Ende des kommunistischen Wirtschaftssystems weniger als zwei Prozent der Bevölkerung einen direkten Nutzen gebracht hat. Rund die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.

Bei den Bürgern Serbiens machen sich Abscheu gegen die Berufspolitiker und gegen die Politik voll irationaler Konflikte zwischen Politikern und Missbrauches von öffentlichen Ämtern spürbar. Absoluten Vorrang hätte daher die Suche nach pragmatischen Politikern, meint der politische Analytiker Vuk Stankovic.

Mit der Suche nach neuen Politikern, die ihr Amt nicht nur zum persönlichem Reichtum ausnutzen wollen, wird meist der überraschende Erfolg eines der führenden serbischen Unternehmer, Bogoljub Karic, bei der Präsidentschaftswahl im Juni erklärt.

Der Selfmademan, der in den neunziger Jahren für seine engste Freundschaft mit Milosevic bekannt war, hat bei der Kommunalwahl Konkurrenz in der Person von Zoran Drakulic bekommen. Der 51-jährige langjährige Finanzier der Demokratischen Partei Serbiens ist ebenfalls ein erfolgreicher Geschäftsmann, der erst jüngst eine breiten Öffentlichkeit bekannt geworden war. Seine Aussichten auf den Belgrader Bürgermeisterposten sind zwar nicht gut, er dürfte aber der Kostunica-Partei ein neues, positiveres Image verleihen. (APA)