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SPD-Chef hofft darauf, dass seine Fraktion bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg zumindest zweistellig bleibt.

Foto: APA/dpa/Tim Brakemeier
Königs Wusterhausen/Neukirch – Matthias Platzeck müht sich redlich: Knapp zwanzig Minuten dauert die Rede des Brandenburger Ministerpräsidenten auf dem Bahnhofsvorplatz von Königs Wusterhausen, einem Ort knapp vor den Toren Berlins. "Es ist nicht so, dass sich Kanzler Schröder eine Gemeinheit nach der anderen ausdenkt", versichert der SPD-Spitzenkandidat den rund hundert Zuhörern, die sich an diesem Montagabend versammelt haben. "Doch", ruft ein älterer Mann und reckt sein handgeschriebenes Plakat in die Höhe: "Hartz IV für Schröder und Co." steht in krakeliger Schrift drauf.

"Es gibt keine Alternative zu den Reformen", sagt Platzeck mit leiser Stimme, meint dann aber: die unterschiedliche Höhe des neuen Arbeitslosengeldes – 331 Euro in Ost- und 345 in Westdeutschland – sei nicht akzeptabel. "Es darf keine unterschiedliche Hilfen geben. Das spaltet das Land."

Einzig Bundespräsident Horst Köhler, der mit seiner Aussage, es gebe wohl keine gleichwertigen Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland mehr, insbesondere in den neuen Bundesländern für Empörung gesorgt hat, bietet Platzeck die Möglichkeit, von der Verteidigungs- in die Angriffshaltung zu gehen: "Dieses Interview zeigt, dass wir noch sehr viel zu tun haben." Hier bekommt Platzeck den einzigen Zwischenapplaus.

Kurz nach Beginn seiner Rede haben sich elf junge Männer neben der Bühne aufgepflanzt, die ihre Gesinnung auf ihrer schwarzen Kleidung zur Schau stellen: "Kameradschaft SS" und "Wir sind Überzeugungstäter" steht in Runenschrift auf den T-Shirts der Glatzköpfe, die mit Trillerpfeifen, Buhrufen und zerplatzenden Luftballons die Kundgebung stören.

"Schnauze voll, die machen es sich leicht", spielt Platzeck auf den Slogan der rechtsextremen DVU im Wahlkampf an. "Die haben nicht einmal davor zurückgescheut, Regine Hildebrandt in den Schmutz zu ziehen." Die DVU hat Aussagen der populären verstorbenen Sozialministerin Brandenburgs für ihre Anti-Hartz- Kampagne missbraucht.

Platzeck erhält nur dürftigen Applaus, als er von der Bühne abtritt. Gleich ist er von einer Menschenmenge umringt: "Ich bin seit drei Jahren arbeitslos. Warum soll ich noch SPD wählen?", fragt eine Blondine in den Vierzigern. Der eigentlich populäre Politiker zuckt mit den Achseln und hört sich die nächste Beschwerde an. Es scheint, als hätte Kandidat Platzeck die Hoffnung aufgegeben, dass die SPD am Sonntag wieder stärkste Kraft wird. In den Umfragen liegt sie bei 29 Prozent, die PDS aber mit Werten zwischen 36 und 31 Prozent deutlich davor.

Die Latte hängt niedrig

Von solchen Prozentzahlen kann Thomas Jurk ohnehin nur träumen. Für den Spitzenkandidaten der SPD im Wahlkampf in Sachsen gilt, am Sonntag die Latte von 1999 mit 10,7 Prozent zu überspringen – das schlechteste Ergebnis, das die SPD jemals bei irgendeiner Wahl in Deutschland erreicht hat.

Aber auch bei ihm scheint der Kampfeswille nicht sehr ausgeprägt. Der SPD-Politiker schafft es, eine Dreiviertelstunde durch den Betrieb Käppler & Tausch in Neukirch in der Lausitz zu laufen, ohne mit einem der 84 Arbeiter ein Wort zu wechseln. Dabei soll dies ein Wahlkampftermin sein. Aber auch die Bereitschaft, mit ihm zu reden, ist nicht sehr ausgeprägt. "Was soll der schon anders machen?", fragt ein junger Arbeiter, der gerade Bleche zuschneidet.

Jurk selbst gesteht dann auch ein, dass im CDU-regierten Sachsen "vieles besser als anderswo in Ostdeutschland läuft". Sein Wahlziel ist deshalb auch bescheiden: "Nur nicht einstellig werden." (DER STANDARD, Printausgabe, 15. 9. 2004)