Dresden - Knapp eine Woche vor der Landtagswahl in Sachsen muss die zur Zeit noch mit übergroßer Mehrheit regierende CDU um ihre absolute Mehrheit zittern. Nach den letzten Umfragen muss sie nach den 56,9 Prozent unter Kurt Biedenkopf diesmal zweistellige Verluste befürchten. Der jetzige Ministerpräsident Georg Milbradt hofft aber weiter auf eine Alleinregierung mit einer Mehrheit der Sitze. Ihn und Politiker aller demokratischen Parteien treibt indes noch eine andere Sorge um: die laut Demoskopen recht reale Gefahr eines Einzugs der rechtsextremistischen NPD in den Dresdner Landtag.

Sie könnte vom Unmut über die Arbeitsmarktreform Hartz IV profitieren, wird befürchtet. In den Umfragen lag sie zuletzt zwischen mindestens vier und sogar neun Prozent im ZDF-Politbarometer. "Das wäre für mich eine Horrorvision. Investoren würden wegbleiben. Alles andere als eine absolute Mehrheit würde zu Instabilität und zur Gefährdung des Wirtschaftsstandorts führen", sagte der CDU-Politiker Milbradt. "Sachsen würde in diesem Fall seinen Ruf als weltoffenes Land verlieren", warnt auch der CDU-Landtagsabgeordnete und ehemalige Innenminister Heinz Eggert. Allerdings dürfe man nicht deren Wähler verteufeln - meist seien es Protestwähler, die die Nase von den etablierten Parteien voll hätten. Mit ihnen müsse man sich politisch auseinander setzen. CDU-Landesgeneralsekretär Hermann Winkler spricht von einer "wahnsinnigen Materialschlacht" der Rechtsextremisten.

Hoffnungen für Grüne und FDP

Dass der neue Landtag mehr Parteien umfassen wir als die bisherigen drei CDU, PDS und SPD gilt als wahrscheinlich. Denn auch FDP und vor allem Bündnis 90/Grüne können sich Hoffnungen machen, am kommenden Sonntag wieder ins Parlament einzuziehen. Die Liberalen liegen in den Umfragen noch bei vier Prozent, die Grünen sogar schon bei bis zu sechs Prozent. Beide Parteien sind seit 1994 nicht mehr im sächsischen Landtag vertreten.

Für die sächsische CDU, die seit Bestehen des Freistaates schon 14 Jahre lang mit absoluter Mehrheit regiert, bleibt die Landtagswahl eine Zitterpartie. Generalsekretär Winkler nicht einmal mehr eine Fünf vor dem Komma als Wahlziel nennen. Die derzeitigen Umfragewerte für die Sachsen-CDU von 44 bis 46 Prozent seien nicht zufrieden stellend, räumt er ein und fügt hinzu: "Aber noch ist alles drin." Die CDU halte an ihrem Vorhaben fest, auch nach dem 19. September in Sachsen weiter alleine regieren zu können. Winkler: "Einen Plan B für die Koalition mit anderen gibt es nicht." In der Schlussphase des Wahlkampfs will die Partei ihren Spitzenkandidaten Milbradt noch einmal groß herausbringen: 2.500 neue Großplakate mit dem Slogan "Sachsen kämpft um Arbeitsplätze - Milbradt wählen" sollen aufgestellt werden.

Auch die PDS geht mit einem neuen Großplakat in die Schlussrunde, aber die sächsischen Genossen machen es genau umgekehrt. Die überkleben nämlich gerade ihren PDS-Spitzenkandidaten, dem gebürtigen Wiener Peter Porsch, der sich seit Wochen gegen Stasi-Vorwürfe verteidigen muss. Das Wahlvolk sieht auf den 250 landesweit aufgebauten Stellflächen jetzt nur noch ein rotes Plakat mit der Aufschrift: "Sozial, mit aller Kraft". Dass die PDS nach 22,2 Prozent vor fünf Jahren wieder stärkste Oppositionspartei im Landtag wird, erscheint nach allen Umfragen so gut wie sicher.

Die sächsischen Sozialdemokraten wollen den Schlussspurt bis zum 19. September nutzen, um noch einmal vor den Gefahren eines möglichen Einzugs der NPD in den Landtag zu warnen. SPD-Sprecher Andreas Beese kündigt an: "Wir schalten dazu noch eine ganze Reihe von Zeitungsanzeigen." Ansonsten fahre der SPD-Spitzenkandidat Thomas Jurk durchs Land und versuche noch, landspolitische Inhalte zu den Themen Kindertagesstätten, Bildung, aber auch der Forderung nach einem Mindestlohn zu vermitteln.

Frisch und unverbraucht treten Bündnis 90/Grüne im Wahlkampf auf. Ihre Spitzenkandidatin, die Dresdner Bundestagsabgeordnete Antje Hermenau nennt sich selbst "die kulturelle Kampfansage an die Altherrenmannschaft in der Staatsregierung". Im Wahlkampf setzt sie auf den Kampf gegen Rechtsextremismus, für Frauen in den ersten Arbeitsmarkt, Umwelt, Bildung und Schule. Sie kämpfe für ein weltoffenes und modernes Sachsen, sagt die Politikerin. Die Partei spreche im Wahlkampf das aufgeklärte Bürgertum an, suche aber auch nach Sachsen Zugewanderte, die "hier eine politische Heimat suchen." (APA)