Linz - Die Solvay Österreich GmbH will Mitte 2005 die Produktion von Soda und Natriumbikarbonat in ihrem Werk in Ebensee in Oberösterreich einstellen. 130 Mitarbeiter sind von der Entscheidung betroffen.

"In die Kostenschere geraten"

Der Generaldirektor von Solvay Österreich, Manfred Inkmann, und der Geschäftsführer des Werkes Ebensee, Gerhard Eder, legten in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz die Gründe für diesen Schritt dar. Demnach sei das Werk in den vergangenen Jahren in die "Kostenschere" geraten.

Der seit Jahren andauernde Streit um die Einleitung von Rückständen aus der Sodaproduktion in den Traunsee habe bei der nunmehrigen Entscheidung keine Rolle gespielt, betonte Eder, sondern allein die fehlende Kostendeckung. Die seit über 120 Jahren in Ebensee befindliche Produktionsstätte mit einer Kapazität von 150.000 Tonnen pro Jahr sei einfach zu klein, um rationell erzeugen zu können. Das Rationalisierungspotenzial sei schon voll ausgeschöpft worden. Die "kritische Größe" für ein derartiges Werk liege bei 500.000 Jahrestonnen.

Kokspreise verfünffacht

Dazu seien zuletzt noch um nahezu das Fünffache gestiegene Kokspreise gekommen. Weiters die Lkw-Maut, die das Produkt noch einmal um drei bis vier Prozent verteuert habe - 40 Prozent des in Ebensee erzeugten Soda gehen ins Ausland. Weiters werde die Wettbewerbsfähigkeit durch die künftigen Kosten für den Kauf von Emissionsrechten vermindert. Dem stehe gegenüber, dass es am Weltmarkt Überkapazitäten bei Soda gebe, damit habe der Markt seit Jahren keine Preiserhöhung zugelassen.

Soda wird für die Herstellung von Glas, Waschmittel und in der metallurgischen Industrie benötigt. Darüber hinaus ist es wichtiger chemischer Grundstoff für weitere Produktionsprozesse. Seine bisherigen Kunden will Solvay künftig aus Schwesterwerken in Bulgarien, Deutschland und Frankreich beliefern.

Investitionen in Kalzimbikarbonat-Erzeugung

In Ebensee will Solvay künftig mit 80 Mitarbeitern gefälltes Kalziumbikarbonat erzeugen. In dessen Produktion sollen sechs Millionen Euro investiert werden unter anderem in die Errichtung eines Kalkofens. Dazu seien noch technische Fragen zu klären und die notwendigen Bewilligungen einzuholen, erklärte Eder. Das Produkt wird aus sehr reinem Kalk und Kohlensäure hergestellt und in der Papier- und Kunststoffindustrie, sowie in der Pharma- und Lebensmittelindustrie benötigt.

Durch die Investitionen und die Stilllegungsarbeiten für das Werk sei sogar kurzfristig eine Steigerung der Wertschöpfung in der Region zu erwarten. Für den Abbau der Anlagen sollen die 130 Mitarbeiter, die gekündigt werden, soweit wie möglich noch eingesetzt werden, sodass ihre Freisetzung gestaffelt erfolgen soll. Solvay will sich auch an Weiterbildungsmaßnahmen für die betroffene Belegschaft aktiv beteiligen und dabei eng mit der Arbeitsmarktverwaltung zusammen arbeiten. Die Freistellung der Mitarbeiter erfolgt gestaffelt.

Das freiwerdende Firmen-Areal soll für die Ansiedlung von anderen Betrieben mit neuen Arbeitsplätzen genützt werden. Es soll darauf ein Gewerbepark entstehen.

Kritik von Umweltschützern

Das Werk in Ebensee war wegen der seit Jahrzehnten durchgeführten, behördlich genehmigten Einleitung von "Produktionsrückständen" in den Traunsee immer wieder von Umweltschützern kritisiert worden. Das Unternehmen bezeichnete die Einleitung als "Existenzfrage".

Es betonte, es handle sich um rein natürliche Stoffe wie Gips und Kalkstein. Der letzte seit 1976 geltende behördliche Bescheid lief 1996 aus, er gilt aber noch bis zur Ausstellung eines neuen. Seither bemühten sich die Behörden und das Unternehmen um eine Reduktion der Mengen.

Während früher 300 Tonnen pro Tag eingeleitet wurden, sollten es künftig nur noch 121 Tonnen sein. Doch auch davon sollte ein Teil auf andere Art entsorgt werden. Noch im Juni hatte sich eine Lösung des Problems abgezeichnet.

Weltweit neues Verfahren

Solvay hatte ein entsprechendes und im übrigen weltweit neues Verfahren entwickelt, das nun in einem Großversuch getestet wurde. Bis zu seinem Abschluss hatte die zuständige Bezirkshauptmannschaft Gmunden das Verfahren für den neuen Bescheid ausgesetzt.

Solvay ist eine internationale Chemie- und Pharmagruppe mit Sitz in Brüssel und beschäftigt rund 30.000 Mitarbeiter in 50 Ländern. Solvay will auch künftig mit ihren drei Kernbereichen Chemie, Kunststoffe und Pharma in Österreich präsent sein. Der österreichische Firmensitz von Solvay befindet sich in Wien.

Reaktionen

"Betroffen" reagierte Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Viktor Sigl (V) auf die angekündigte Schließung der Sodaproduktion in Ebensee. Er werde bereits am Nachmittag mit Geschäftsführung und Betriebsrat zusammentreffen, kündigte Sigl in einer Pressaussendung an.

Rascher Sozialplan angekündigt

Die "Frühwarnung" des Unternehmens ermögliche einen raschen Sozialplan, das Arbeitsmarktservice (AMS) Oberösterreich gewinne dadurch Zeit. Beim AMS Gmunden hieß es jedoch auf APA-Anfrage, derzeit habe man noch keine offiziellen Kündigungszahlen erhalten.

Das AMS könne versuchen, durch Implacement- und Outplacementstiftungen rechtzeitig neue Beschäftigungsmöglichkeiten für die betroffenen Mitarbeiter zu finden, so Sigl. Auch Solvay-Chef Gerhard Eder habe ihm in einem persönlichen Gespräch versichert, den Prozess mit einem bestmöglichen Sozialplan zu begleiten.

Gleichzeitig werde ab sofort die Technologie- und Marketinggesellschaft (TMG) des Landes für eine weitere Nutzung des rund 150.000 Quadratmeter großen, frei werdenden Industrieareals eingebunden. Die TMG verfüge auf dem Gebiet von Betriebsansiedlungen über "reichlich Erfahrungen", betonte der Wirtschaftslandesrat.

Bürgermeister: "Ganze Region betroffen"

Bürgermeister Herwart Loidl (S) betonte auf APA-Anfrage, dass von der Schließung des Solvay-Werks nicht nur die Gemeinde Ebensee, sondern die gesamte Region betroffen sei. Dass es wirtschaftliche Probleme gegeben habe, sei ihm klar gewesen, von den Plänen habe er aber "aus heiterem Himmel erfahren".

Die geplante Schließung habe fatale Auswirkungen auf die Saline, bei der Solvay ein wesentlicher Abnehmer gewesen sei, sagte Loidl. Die Folgen für kleinere Firmen, die Produkte des Unternehmens bisher weiterverarbeitet haben, seien noch gar nicht abzusehen.

Die Gemeinde könne nur versuchen, in den kommenden Tagen intensiv an einem Sozialplan mitzuarbeiten. Man werde sich zudem um die Ansiedlung von neuen Betrieben auf dem frei werdenden Areal bemühen, kündigte der Bürgermeister an.

Oö. Grüne: Harter Schlag für viele Menschen

Die Wirtschaftssprecherin der oberösterreichischen Grünen, Ruperta Lichtenecker, erklärte in einer Presseaussendung am Dienstag, dass der Verlust von 130 Arbeitsplätzen und der Steuerentfall durch den Wegfall eines Teiles der Solvay-Produktion sei ein harter Schlag für viele Menschen und die Region Salzkammergut als Gesamtes sei. Die Situation für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Ebensee und der Umgebung sei von Natur aus nicht einfach.

Die vorzeitige Ankündigung durch die Firmenleitung eröffne auch Optionen und die Chance, einen neuen Weg zu gehen. Die Region sei aus bildungs- und wirtschaftspolitischer Sicht zu analysieren, so Lichtenecker. Zudem müssten ein Stärken/Schwächen-Profil erstellt sowie entsprechende Lösungswege erarbeitet und umgesetzt werden.

LH Pühringer: Weitere Investitionen entscheidend

Der oö. Landeshauptmann Josef Pühringer zeigte sich in einer ersten Reaktion "betroffen" von der angekündigten Schließung und sagte, ein entsprechender Sozialplan und weitere Standortinvestitionen in anderen Bereichen seien nun entscheidend. "Das Land Oberösterreich war immer bemüht, in sehr heiklen ökologischen Fragen für das Unternehmen auch ökonomisch verträgliche Rahmenbedingungen zu setzen", betonte Pühringer in einer Presseaussendung. Dass nun dennoch in erster Linie aus finanziellen Gründen der Konzern die Absiedlung der Sodaproduktion beschlossen habe, sei sehr bedauerlich.

"Positiv" nannte Pühringer "die rechtzeitige Information" rund ein Jahr vor der geplanten Schließung. Bei einem nun zu entwickelnden Sozialplan müsse sich aber der wirtschaftlich an sich gut situierte Solvay-Konzern auch mit einer beachtlichen Eigenleistung einbringen. Entscheidend sei darüber hinaus, dass das Unternehmen seine Aktivitäten in der Füllstoffproduktion in Ebensee entsprechend ausbaue und in diesem Bereich neue Arbeitsplätze entstehen würden.

SPÖ: "Hiobsbotschaft"

Der oö. SPÖ-Landesgeschäftsführer LAbg. Reinhard Winterauer nannte die Ankündigung von Solvay "eine Hiobsbotschaft für das Innere Salzkammergut, das bekanntlich nicht gerade mit Arbeitsplätzen gesegnet ist". Nicht nur die Arbeitsplätze bei Solvay, sondern auch einige Zulieferfirmen seien von der Schließung betroffen, sondern "vor allem auch der Grundstofflieferant, die Salinen AG". Winterauer schlägt deshalb vor, zu prüfen, ob "eine Übernahme der Solvay-Sodaproduktion durch die Salinen Austria möglich ist".

Salinen Austria: Übernahme "kein Thema"

Salinen Austria-Vorstandsvorsitzender Thomas Jozseffi stellte jedoch umgehend klar, das er sich eine Übernahme des Solvay-Werks nicht vorstellen könne. "Ich wüsste nicht, warum ein Salzerzeuger besser Soda produzieren können soll als ein Sodaerzeuger", betonte Jozseffi. Aus derzeitiger Sicht bringe dieser Schritt keine Vorteile für den Standort, um den Solvay-Chef Gerhard Eder "wie ein Löwe gekämpft" habe, so Jozseffi. Zu groß sei der Unterschied der Märkte und der Herstellungsverfahren. Zudem handle es sich um einen europäischen, wenn nicht sogar Weltmarkt, der mit Überkapazitäten zu kämpfen habe und auf dem ein Verdrängungswettbewerb herrsche.

Hauptabnehmer fällt weg

Mit der geplanten Schließung der Soda-Produktion fällt für die Salinen Austria einer ihrer Hauptabnehmer von Sole weg. Etwa ein Viertel der Gesamtproduktion von rund 3,4 Millionen Kubikmetern sei an Solvay gegangen. Der Wegfall sei aber "nicht das große Problem", erklärte Jozseffi, der darauf verwies, dass man in den letzten Jahren im Winter stets zukaufen habe müssen. Vielmehr gelte es, die Wasserrechtsthematik in Kooperation mit dem Land zu lösen. Das Werk in Ebensee war wegen der seit Jahrzehnten durchgeführten, behördlich genehmigten Einleitung von "Produktionsrückständen" in den Traunsee immer wieder von Umweltschützern kritisiert worden. (APA)