In Jan Fabres "Quando l'uomo principale è una donna" verwandelt sich Lisbeth Gruwez von einem Hermaphroditen in einen geschlechtslosen Engel.

Foto: Borgmann
...verschweigen nichts, vor allem nicht die ausufernden künstlerischen Visionen des Bilder- und Bühnentitanen.


Der belgische Starchoreograf Jan Fabre zeigt drei intime und provokative Frauenmonologe, die an die körperlichen und seelischen Grenzen der Darstellerinnen gehen. Eine verzweifelte Braut, geschnürt in ein undurchdringbares Kleid, fühlt sich gleichzeitig als Heilige und als Sexmaschine.

"Meine einzige Funktion besteht darin, Liebe zu machen, wieder und wieder und wieder . . .", monologisiert die großartige Schauspielerin Els Deceukelier in She was and she is, even. Das "Liebesgedicht", inspiriert von Marcel Duchamps Die Braut von ihren Junggesellen nackt entblößt, sogar, spricht von Sehnsüchten, erotischem Begehren und der Mechanisierung des Körpers im sexuellen Akt. Els Deceukelier ist für Fabre die ein "physisches" Vorbild und die Personifikation all dessen, was er im Theater für wesentlich erachtet. Für sie kreierte er auch das Nachspiel Etant donnés, das von Marcel Duchamps letztem Werk mit demselben Titel inspiriert ist.

In einem Zwiegespräch zwischen einer Sie-Figur und ihrer Vagina lässt Fabre den Gegensatz zwischen Modell/ Kunstwerk/Performance aufeinander prallen. "Ich liege mit gespreizten Beinen auf dem Rücken. Ich bin aus allen Zeiten. Vielleicht sogar der Ursprung der Welt." Die Vagina spricht als zweite Stimme ohne jede Scham aus, was eine Frau denkt, jedoch nicht sagt.

Tanz unterm Ölhimmel

Das mehr als ein Jahrzehnt später für die junge Ausnahmetänzerin Lisbeth Gruwez choreografierte Solo Quando l'uomo principale è una donna kreist ebenfalls um das Thema weibliche/männliche Sexualität. Die Tänzerin verwandelt sich unter einem Himmel voller Flaschen Olivenöl, aus denen es erst träufelt, dann strömt und spritzt, mit dem Trickreichtum eines Jongleurs und Zauberkünstlers von einem Hermaphroditen in einen geschlechtslosen Engel, von Mann in Frau, von Mensch zu Tier. Der Wille zum Fliegen, inspiriert von dem italienischen Lied Volare und dem Werk Der Sprung ins Leere von Yves Klein, und die Präsenz von Olivenöl als medizinisches, kosmetisches christliches "Heilmittel" werden zu Grundelementen des thematischen Ausgangspunktes: der Suche nach dem glücklichen androgynen Wesen.

Die Karriere von Jan Fabre begann Anfang der 80er-Jahre mit einer Reihe von Skandalen. Zwanzig Jahre später hat Fabre mit über 30 Theater-, Tanz- und Opernproduktionen, mit Texten, Zeichnungen, Filmen und Soloperformances Theatergeschichte mitgeschrieben. In den drei intimen Frauenmonologen ist seine Vision verdichtet. Nichts wird verschwiegen, das Theater wird zum Ort des voyeuristischen und gleichzeitig hedonistischen Blicks. (SPEZIAL/DER STANDARD, Printausgabe, 14.9.2004)