Wien – Eine Frau ist auf offener Straße erstochen worden. Ihr Ehemann war es – "behauptet die Polizei", schränkt der Verteidiger ein. Ihm ist der Mordprozess zu klischeehaft: Eifersüchtiger Türke tötet Frau. – "Das ist nur eine Schlagzeile, sonst nichts". Einer der Geschworenen will sich mit der Verhandlung ebenfalls nicht anfreunden. Alle paar Sekunden fällt sein Kopf nach vorne. Schließlich muss der Laienrichter ausgetauscht werden. "Ich kann Sie nicht ständig aufwecken", bittet der Richter um Verständnis.

Irfan F. (40) scheiterte mit seinen Asylanträgen und sollte abgeschoben werden. In letzter Sekunde heiratete er die überschuldete vierfache Mutter Fatima (43). "Unsere Ehe war eine Formalität", sagt er, so nüchtern er kann. Er bekam die Aufenthaltsgenehmigung, sie angeblich seine Ersparnisse. Bei der Polizei waren es 10.000 Euro, heute sind es bereits 40.000.

"Fetzen sind schon geflogen"

Drei Jahre lebten sie zusammen. "Was war sie für ein Mensch?", fragt der Richter. "Ein normaler Mensch", erwidert der Angeklagte. Und: "Wir haben einander nichts Böses angetan." – "Also die Fetzen sind schon geflogen", korrigiert der Anwalt ein bisschen: Sie wollte sich scheiden lassen, er war eher dagegen. Ja, und während er im Prater gerade seinem Spielglück nachjagte, wurde Fatima plötzlich erstochen. Zwei Tage später, konnte man Irfan beim Versuch das Land zu verlassen, verhaften. "Es war aber keine Flucht", sagt der Verteidiger.

Nun zur "klischeehaften" Version der Anklagebehörde: Irfan war rasend eifersüchtig. Als er handgreiflich wurde, reichte Fatima die Scheidung ein. "Er wollte nicht wahrhaben, dass sie ihn verlassen hat", sagt der Staatsanwalt. Drei Monate war sie seinem Psychoterror ausgesetzt. Bis zu 100 Mal täglich rief er an und drohte ihr mit dem Umbringen. Nachdem sie ihn angezeigt hatte, durfte er das Haus nicht mehr betreten. Am 11. September 2003 soll er sie mit einem Messer in der Nähe der Wohnung abgepasst haben. Dazu werden die Zeugen heute Näheres berichten. (Der Standard, Printausgabe, 14.09.2004)